I. Widerruf der Approbation

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BÄO ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich die  Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist. Dies ist der Fall, wenn sich der Arzt eines Verhaltes schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzulässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt. Vor dieser Entscheidung kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO u.a. bereits dann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Der Widerruf der Approbation setzt nach §§ 5 Abs. 2, Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO somit voraus, dass sich der Arzt nachträglich als unzuverlässig oder als unwürdig zur Ausübung des Arztberufs erwiesen hat.

1. Unzuverlässigkeit

Unzuverlässigkeit ist gegeben, wenn der Betroffene künftig seine beruflichen Pflichten mutmaßlich nicht zuverlässig erfüllen wird (vgl. etwa BayVGH, ArztR 2011, 183, 184). Eine „Unzuverlässigkeit“ ist dann zu bejahen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Bei der hier anzustellenden Prognose ist auf die jeweilige Situation des Arztes im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens abzustellen, sowie auf seinen vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen Berufspflichten manifest gewordenen Charakter. Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit ist die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (BVerwG, NJW 1998, 2756).

2. Unwürdigkeit

 Unwürdigkeit ist gegeben, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes erforderlich ist. Diese Feststellung setzt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes voraus, welches bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung untragbar erscheinen lässt (BVerwG, NJW 1991, 1557). Entscheidend ist hierbei, ob das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint.

a) Kriterien der Unwürdigkeit

 Vom Arzt wird nicht nur eine sorgfältige Behandlung seiner Patienten erwartet, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung (BayVGH, ArztR 2011, 183, 184). Die Unwürdigkeit eines Arztes wird allerdings nicht nur anhand seines Verhaltens im Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit beurteilt. Relevant und gewürdigt werden auch berufsbezogene, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehende Handlungen und Unterlassungen. Darüber hinaus können auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises Berücksichtigung finden, sodass die Unwürdigkeit sich also auch aus solchen Straftaten ergeben kann, welche nicht die Verletzung ärztlicher Pflichten betreffen (VGH Mannheim, MedR 1983, 36).

Unwürdigkeit ist aber etwa dann zu bejahen, wenn der Arzt vorsätzlich eine schwere, gemeingefährliche oder gemeinschädliche oder gegen die Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat (OVG Lüneburg, MedR 2010, 342, 343; VGH Mannheim, NJW 2003, 3647, 3648).

So hat etwa in dem vom OVG Lüneburg entschiedenen Fall ein Augenarzt 10 Jahre Einnahmen seiner Praxis in erheblichem Umfang nicht versteuert und wurde deswegen wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Dieses nicht berufsbezogene Fehlverhalten des Arztes rechtfertigte nach Auffassung des OVG auch die Entziehung der Approbation. Allerdings gelten bei nicht berufsbezogenen Straftaten strengere Maßstäbe und nicht jedes Steuervergehen führt zum Verlust der Approbation (OVG NRW, MedR 1994, 72).

Nur ein schwerwiegendes, beharrliches, steuerliches Fehlverhalten rechtfertigt die Annahme, der Approbierte setze sich in eigenem finanziellem Interesse in einem solchen Maße auch über strafbewehrte, im Interesse der Allgemeinheit bestehende Bestimmungen hinweg, dass es schon deshalb als Arzt untragbar ist. Im entschiedenen Fall folgte die Einschätzung der Unwürdigkeit aus der Schlussfolgerung, dass der Arzt angesichts seiner Steuerhinterziehung wohl vorrangig an seiner eigenen finanziellen Lage orientiert war und nicht am Wohl seiner Patienten (§ 1 Abs. 1 BÄO).

Als Grund für diese sehr umfassende und weitreichende Verständnis der Berufswürdigkeit wird das wichtige Gemeinschaftsgut der Volksgesundheit angeführt. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und darauf aufbauend die Gemeinschaftsgüter Gesundheitsversorgung und Gesundheitsschutz sollen geschützt werden. Die Erwartung der Bevölkerung ist, dass ein – helfender und heilender – Arzt anderen Personen nicht willentlich Schaden zufügt. Bei der Beurteilung der Unwürdigkeit kommt es also auch darauf an, ob der Betreffende durch sein Verhalten das eigene Ansehen und Vertrauen und auch das der gesamten Ärzteschaft in Misskredit gebracht hat.

b) Berücksichtigung von Strafurteilen und Strafbefehlen

Als Entscheidungsgrundlage, ob eine Unwürdigkeit vorliegt, kann die zuständige Verwaltungsbehörde auf eventuell bereits ergangene Strafurteile und auch auf Strafbefehle zurückgreifen. Dies erscheint bei bloßen Strafbefehlen problematisch, da diesen kein ordentliches Strafverfahren mit einer Hauptverhandlung zugrunde liegt, sondern diese vielmehr vom Richter nach einem summarischen Verfahren gem. §§ 407 ff. StPO erlassen werden. Gleichwohl ergeht ein Strafbefehl aber erst nach einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch den Richter und erlangt auch die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils. Die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Strafbefehls können daher bei der Behördenentscheidung nach der Rechtsprechung Berücksichtigung finden, es sei denn, es ergeben sich gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit (BVerwG, NJW 2003, 913, 915 f.).

In diesem Zusammenhang ist auch noch zu beachten, dass nach § 70 Abs. 1 StGB das Strafgericht die Möglichkeit hat ein Berufsverbot anzuordnen, wenn jemand u.a. wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder grober Verletzung der mit diesen verbundenen Pflichten begangen hat.

Der Umstand, dass das Gericht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, hindert die Verwaltungsbehörde jedoch nicht, dem verurteilten Arzt gleichwohl die Approbation zu entziehen. Hat der Arzt allerdings unter allseitiger Würdigung des Sachverhalts neben der Strafe eine berufsrechtliche Maßregelung rechtskräftig verhängt, dann muss der Betroffene darauf vertrauen können, dass damit dem Interesse der Öffentlichkeit in vollem Umfange Genüge getan worden ist (vgl. BVerwG, NJW 1973, 875).

c) Grundrechtsrelevanz

Die Entziehung der Approbation greift offensichtlich schwerwiegend in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit i.S.v. Art. 12 Abs. 1 GG ein. Gleichwohl wird dieser Eingriff von der Rechtsprechung für zulässig und bei Vorliegen der Voraussetzung für gerechtfertigt gehalten, ohne dass es einer weitergehenden Prüfung bedarf, ob der Betreffende, z.B. angesichts seines Alters noch andere Möglichkeiten einer beruflichen Tätigkeit hat. Der stets zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird grundsätzlich dadurch gewahrt, dass der Betroffene gem. § 8 BÄO die Möglichkeit hat, eine erneute Erteilung der Approbation zu beantragen.

Bei Wiedererteilung ist allerdings zu beachten, dass z.B. bei einem Arzt, der wegen Abrechnungsbetrugs in zahlreichen Fällen und über einen mehrjährigen Zeitraum verurteilt wurde, ein längerer Reifeprozess für die Wiedererlangung der Zuverlässigkeit erforderlich ist.

II. Ruhen der Approbation

Bei der Anordnung des Ruhens der Approbation handelt es sich dagegen um eine vorübergehende Maßnahme, die dadurch bestimmt ist, in unklaren und Eilfällen einem Arzt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz von Patienten geboten. Sie ist auch im Verhältnis zu den Möglichkeiten der Rücknahme und des Widerrufs der Approbation nach § 5 BÄO zu sehen und erfasst insbesondere die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht endgültig feststeht und eine solche vorübergehender Natur in Frage steht. Rechtsgrundlage für die Anordnung des Ruhens der Approbation ist § 6 BÄO. Hiernach kann etwa das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist (§ 6 Abs. 1 Ziff. 1 BÄO).

1. Verdacht einer Straftat

  • 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ermächtigt somit die Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen schon in dem frühen Stadium eines Strafverfahrens zum Schutz von Patienten und Allgemeinheit vor den mit Wahrscheinlichkeit von dem Arzt ausgehenden Gefahren rasch einzugreifen. In diesem Falle kann sich dann der betroffene Arzt nicht darauf berufen, dass noch keine rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichts vorliege und deshalb noch nicht abschließend geklärt sei, ob und welche Straftaten er sich hat zuschulden kommen lassen (OVG NRW ArtzR 2008, 76).

Allerdings greift die Vorschrift damit in den Anwendungsbereich der Unschuldsvermutung ein (BVerfG, NJW 1991, 1530, 1531 f.). Einschränkend ist daher erforderlich, dass die sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass der betroffene Arzt die ihm vorgeworfenen Straftaten begangen hat und diese so schwerwiegend sind, dass aus ihnen auf seine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit geschlossen werden kann (OVG Saarland, MedR 2006, 661, 662). Die Verwaltungsgerichte sind dann zur Beurteilung dieser Voraussetzungen zu einer eigenständigen Prüfung des Gewichts der strafrechtlichen Vorwürfe verpflichtet.

2. Grundrechtseingriff

Das Ruhen der Approbation stellt ein vorläufiges Berufsverbot dar und greift in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ein. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Bei § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO setzt dies folglich die Feststellung voraus, dass diese Maßnahme schon vor der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist. Dies ist aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen. Daher ist ein vorläufiges Berufsverbot etwa dann erforderlich, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Arzt bei der Ausübung seines Berufs Straftaten gegen das Leben und/oder die Gesundheit von Patienten begangen hat und die Gefahr einer Verletzung dieser Rechtsgüter bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit weiter besteht (BVerwG, NJW 1998, 2756, 2757).

III. Anordnung des Sofortvollzugs

1. Voraussetzungen

Ordnet die zuständige Behörde den Entzug oder das Ruhen der Approbation an, so hat der Widerspruch und die Klage des Arztes hiergegen grundsätzlich aufschiebende Wirkung, d.h. die Maßnahme wird erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verwaltungsverfahrens bzw. mit rechtskräftigem Urteil wirksam, § 80 Abs. 1 VwGO. Gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfällt diese aufschiebende Wirkung jedoch in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung der Maßnahme im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde besonders angeordnet wird. Soweit dies der Fall ist, kann im Rahmen des gesonderten einstweiligen Rechtsschutzes hiergegen vorgegangen werden und die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels beantragt werden, § 80 Abs. 5 VwGO.

Der mit dem Widerruf einer Approbation verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist im Wege der Anordnung des Sofortvollzugs und damit vor Rechtskraft des Hauptverfahrens als Präventivmaßnahme allerdings nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfG, NJW 2003, 3618). Ob es sich um eine unaufschiebbare Maßnahme im Interesse des allgemeinen Wohls handelt, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt.

Überwiegende öffentliche Belange können es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurück zu stellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Wegen der gesteigerten Eingriffsintensität beim Sofortvollzug einer approbationsrechtlichen Maßnahme sind hierfür jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und die ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsachverfahrens ausschließen (OVG NRW, NJW 2007, 3300, 3301).

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung müssen auch die wirtschaftlichen und persönlichen Auswirkungen, die sich aufgrund der Anordnung des Ruhens der Approbation und der Anordnung der sofortigen Vollziehung für den Arzt ergeben, berücksichtigt werden.

2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes

In seiner Rechtsprechung stellte das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach fest, dass grundsätzlich die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Arzt in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Die Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, stelle einen selbstständigen Eingriff dar, da dem Arzt schon vor rechtskräftiger Entscheidung der Hauptsache die Möglichkeit genommen wird, seine Praxis weiterzuführen sowie den Beruf des Arztes überhaupt auszuüben.

„Ein derartiges präventives Berufsverbot ist nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung einstweilen zurück zu stellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsachverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG 1 BvR 2709/09 Rn. 12)“.

Insbesondere müsste also insofern eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter durch eine weitere Berufstätigkeit des Arztes schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens festgestellt werden. Alleine die Überzeugung, dass die Voraussetzungen der Grundverfügung vorliegen, erlaubt somit nicht deren sofortige Vollziehung.

Daneben gewährt Art. 19 Abs. 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Grundrechtsträger habe einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame, gerichtliche Kontrolle (BVerfGE 35, 263, 274 u.a.).

„Der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kommt daher nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in Rechte des Grundrechtsträgers eingreift, vollständig der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, 1 BvR 2709/09)“.

Neben der Widerrufsproblematik drohen zudem Probleme mit der kassenärztlichen Vereinigung und mit der Ärztekammer.

Frühzeitiges Tätigwerden ist daher besonders wichtig. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie bitte an oder vereinbaren Sie einen Besprechungstermin.

Hans Steffan
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Medizinrecht

Im Sommer 2019 kauft ein 31-jähriger Mann ein Samuraischwert, eine Dekorationswaffe, in einem Laden in der Stuttgarter Königstraße und ersticht später am Tag in einer Auseinandersetzung seinen 36-jährigen Mitbewohner, einen Familienvater, vor den Augen seiner Tochter auf offener Straße am Stuttgarter Fasanenhof. Zeugen filmen die blutige Tat und teilen die Videos auf sozialen Netzwerken.

Der Prozess wegen Mordes gegen den Angeklagten Issa L. hat am 17. April 2020 vor dem Landgericht Stuttgart begonnen. Die Anklage lautet auf “Heimtückischen Mord”. Die Rechtsprechung besagt, dass Heimtücke dann vorliegt, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausnutzt. Arglos ist, wer zum Zeitpunkt der Tathandlung keinen Angriff auf Gesundheit oder Leben erwartet und deshalb in seinen Verteidigungsmöglichkeiten mindestens beschränkt ist.

Die Verteidiger Hans Steffan und Achim Wizemann werden argumentieren, dass es vor der Tat zwischen dem Angeklagten und dem Opfer zu einem Streit kam, bei dem Issa L. die Tatwaffe, das Samuraischwert, in der Hand hielt, sodass das Opfer nicht mehr arglos gewesen sein konnte und mit einem Angriff hätte rechnen müssen.
Ein Mordmerkmal läge dann nicht vor. Zudem wird von Bedeutung sein, ob der Angeklagte in seiner Einsicht oder Steuerungsfähigkeit in erheblicher Weise eingeschränkt war. In diesem Fall wäre statt einer Freiheitsstrafe die Unterbringung in einem Maßregelvollzug zu erwarten.

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Mit dem Beginn der Corona Krise haben neben der gesundheitlichen Problematiken auch eine ganze Reihe neuer strafrechtlicher Probleme Einzug gehalten. So stellt sich die Frage, inwieweit man sich im Zusammenhang mit dem Coronavirus strafbar machen kann, auch wenn dies sicherlich grundsätzlich weder von einem beabsichtigt ist, noch einem bewusst gewesen sein mag, dass dies der Fall sein kann.

Dass man wenn irgend möglich zuhause bleiben und sich von den Mitmenschen so gut es geht isolieren sollte, dürfte mittlerweile bekannt sein und wird größtenteils auch beachtet und umgesetzt, was sicherlich sehr zu begrüßen ist. Dennoch besteht noch genügend Raum für die Verwirklichung diverser Straftatbestände, die im folgenden Beitrag kurz skizziert werden sollen, auch um diesbezüglich das Problembewusstsein zu schärfen und eine Strafbarkeit tunlichst zu vermeiden.

Zunächst einmal stellt es objektiv betrachtet eine Körperverletzung dar, wenn man eine andere Person mit dem Coronavirus infiziert, da der Betroffene hierdurch an der Gesundheit geschädigt wird. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass dies unabhängig davon zu gelten hat, ob der Betroffene leicht oder schwer erkrankt ist oder gar möglicherweise selbst keinerlei Symptome aufweist. Er hat eine nicht ganz unerhebliche Erkrankung und kann diese an Dritte weitergeben, was ausreichend ist.

Die Körperverletzung kann zudem auch eine gefährliche sein, denn durch die Infektion mit dem Coronavirus werden in der Regel gleich mehrere objektive Tatbestandsmerkmale der Vorschrift erfüllt.

So dürfte das Virus als gesundheitsschädlicher Stoff einzustufen sein, der „beigebracht“ wird und auch eine erhebliche Schädigung der Gesundheit zur Folge haben kann.

Dann kommt zusätzlich die Tatbestandsalternative einer das Leben gefährdenden Behandlung in Betracht. Allerdings kommt es hierbei auf den konkreten Einzelfall und den jeweiligen Krankheitsverlauf an. Besonders relevant wird diese Alternative somit bei Menschen mit Vorerkrankungen und alten Menschen, die bekanntlich zur Risikogruppe gehören. Hier ist öfters mit lebensgefährlichen Krankheitsverläufen zu rechnen.

Eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung oder gar gefährlicher Körperverletzung hängt aber nicht nur von diesen objektiven Umständen und Tatbestandsmerkmalen ab sondern auch von der Frage des Vorsatzes. Hierdurch kommt ein Korrektiv zur Anwendung.

In den wenigsten Fällen wird es nämlich sicherlich jemand bewusst darauf anlegen einen anderen mit dem Virus anstecken zu wollen. Sollte dem dennoch so sein, ist eine entsprechende Strafbarkeit klar gegeben.

Doch auch wenn der Täter das Risiko und die Möglichkeit einer Ansteckung Dritter erkennt und dieses Risiko in Kauf nimmt, es also billigt, ist zumindest sog. Eventualvorsatz gegeben, was ausreichend ist und den Weg in die Strafbarkeit ebnet.
Hofft der Täter hingegen keine andere Person zu infizieren und vertraut darauf, dass dies nicht geschehen möge, scheidet Vorsatz aus, und es wäre lediglich eine fahrlässige Körperverletzung gegeben.

Diese allerdings bedingt wiederum, dass der Täter zumindest mit der ernsthaften Möglichkeit einer eigenen Infektion rechnen musste, sei es aufgrund eigener Symptome, dem Aufenthalt in einem Risikogebiet oder dem unmittelbaren Kontakt zu einer nachgewiesen erkrankten bzw. infizierten Person. Hinzu kommen muss dann der Kontakt mit Dritten in Kenntnis dieser Umstände.

Ohne die Kenntnis oder jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte für die eigene Infektion wird eine Strafbarkeit nicht erfüllt sein.

In den Fällen, in denen die Erkrankung beim Angesteckten einen tödlichen Verlauf nimmt, stellt sich die Frage, ob man sich dann auch wegen Totschlags oder gar Mordes schuldig gemacht haben kann.

Dies kann in Ausnahmefällen durchaus zu bejahen sein, wird aber auch wieder auf subjektiver Ebene von der Frage des Vorsatzes entscheidend mit entschieden. Es gelten dieselben Grundsätze wie oben beim Körperverletzungstatbestand.

Denkbar ist auch eine fahrlässige Tötung oder gar eine Körperverletzung mit Todesfolge.

Hat der Täter schließlich die subjektiven Voraussetzungen hinsichtlich des Vorsatzes erfüllt, aber letztlich glücklicherweise niemanden mit dem Virus infiziert, kommt immer noch eine Bestrafung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Betracht.

Dies gilt es in jedem Fall im Hinterkopf zu halten, wenn man dieser Tage beispielsweise durch die Stadt oder zum Einkaufen geht und trotz Kenntnis der eigenen Erkrankung an dem Virus oder der erhöhten Möglichkeit, dass dies bei einem selbst der Fall sein könnte, keinerlei Sorgfalt und Rücksichtnahme gegenüber Dritten an den Tage zu legen bereit ist.

Ein vernünftiger und besonnener Umgang mit der Thematik sowie die Bereitschaft mitzuhelfen, die weitere Verbreitung des Coronavirus soweit möglich einzudämmen, sind der Garant dafür, nicht nur gesund sondern auch straffrei durch diese Krise zu kommen.

Jan Stockmann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Strafrecht

Mitglied im AnwaltVerein

Am vergangenen Freitag hat vor dem Heilbronner Landgericht der Prozess wegen versuchten Mordes gegen den „Kirchardter Feuerteufel“ begonnen. Frau Rechtsanwältin Unger-Schnell verteidigt den Angeklagten. Im Mai hatte er in einer Nacht vier Feuer gelegt, wobei zwei Menschen leicht verletzt wurden.

Der 38-jährige Angeklagte hat im Mai diesen Jahres in einem Zeitraum von acht Stunden insgesamt vier Feuer gelegt: drei an Autos und eines an einem Schuppen, alle in Kirchardt. Es soll ein Sachschaden in Höhe von 570.000 Euro entstanden sein.

Der Angeklagte gab vor Gericht an, er habe sich aus Frust über seine Gesamtsituation betrunken und könne sich nicht mehr an die Tatnacht erinnern.

Er war erst einige Tage vorher als Saisonarbeiter von Polen nach Deutschland gekommen, um bei einer ortsansässigen Firma zu arbeiten. Menschen habe er nicht verletzen wollen. Trotzdem lautet die Anklage gegen den polnischen Staatsangehörigen auf versuchten Mord, da er bei seinen Brandstiftungen riskierte, dass die Flammen auf die angrenzen Wohnhäuser übergehen und die Bewohner lebensgefährlich verletzen könnten. Für den Prozess sind sechs Prozesstage am Landgericht Heilbronn angesetzt. Insgesamt sind zwei Sachverständige und 23 Zeugen geladen. Das Urteil soll noch dieses Jahr vor Weihnachten, am 18. Dezember, fallen.

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Es ist die erste Mordanklage nach einem Raser-Unfall in Baden Württemberg: Ein 21-Jähriger rast mit 160 Sachen durch die Stuttgarter Stadtmitte und verliert die Kontrolle über das Fahrzeug. Ein junges Paar wird dabei getötet. Heute fiel das Urteil: 5 Jahre Jugendhaft für Mert T.

Der Angeklagte hatte im März bei einem illegalen Autorennen durch die Stuttgart Innenstadt die Kontrolle über das Fahrzeug, einem gemieteten Jaguar F-Type mit 550 PS, verloren und war gegen einen stehenden Citroen Kleinwagen geprallt, dessen Insassen dabei ums Leben kamen. Am heutigen Tag wurde der junge Mann vom Landgericht wegen verbotenen Autorennens mit Todesfolge schuldig erklärt. Ursprünglich angeklagt war er wegen Mordes.

Seine Verteidiger, Markus Bessler und Hans Steffan, plädierten auf fahrlässige Tötung und eine Bewährungsstrafe

Die Staatsanwaltschaft und zwei der drei Nebenkläger forderten eine Jugendstrafe wegen Mordes, der dritte Nebenkläger forderte sogar eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes nach Erwachsenenrecht. Die vorsitzende Richterin der 4. Großen Jugendkammer, Cornelie Eßlinger-Graf, verurteilte den jungen Mann zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Außerdem wird ihm nach Verbüßung seiner Haftstrafe sein Führerschein vier Jahre lang entzogen. Sie begründete ihr Urteil damit, dass man dem Angeklagten trotz der “hirnlosen Raserei” keinen Tötungsvorsatz nachweisen konnte, da er überzeugt gewesen sei, dem schnellen Fahrzeug gewachsen zu sein.

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