Zur Frage der Anwesenheit des Betroffenen in einer bußgeldrechtlichen Hauptverhandlung

Das OLG Braunschweig hat mit Beschluss vom 08.06.2023 (Az. 1 ORbs 48/23) jüngst entschieden, dass auf Antrag ein Betroffener in einer bußgeldrechtlichen Hauptverhandlung von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden ist, wenn dieser seine Fahrereigenschaft zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt eingeräumt hat, ansonsten jedoch bereits über den Verteidiger angekündigt wurde, unter keinen Umständen in Person Angaben zur Sache und zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen machen zu wollen.

Vorliegend war es so, dass wegen vorschriftswidriger Nutzung eines Mobiltelefons im Straßenverkehr gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid ergangen ist, gegen welchen durch den beauftragten Verteidiger Einspruch eingelegt wurde. Für den daraufhin vom Gericht anberaumten Hauptverhandlungstermin beantragte der Verteidiger, den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Termin zu entbinden. Der Mandant räume seine Fahrereigenschaft zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt ein, werde ansonsten aber in Person unter keinen Umständen Angaben zur Sache und zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen machen.

Das Gericht folgte dem nicht und hielt weiterhin die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts für erforderlich. Zum anberaumten Termin erschienen dann weder der Verteidiger noch der Betroffene. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wurde vom Gericht verworfen.

Auf die eingelegte Rechtsbeschwerde hin entschied nun das zuständige OLG Braunschweig im Beschluss vom 08.06.2023, dass das Amtsgericht zu Unrecht den Betroffenen nicht von seiner gesetzlichen Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden habe. Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht einen Betroffenen nämlich auf seinen Antrag hin von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn dieser sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen lagen im zu Grunde liegenden Sachverhalt vor. Im Hinblick auf die Ausführungen des Verteidigers im Vorfeld der Hauptverhandlung war klar, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung keine weitere Aufklärung des Tatvorwurfs zu erwarten war. Rein spekulative Erwägungen, die Anwesenheit eines Betroffenen könne in der Hauptverhandlung zu einem Erkenntnisgewinn führen, genügen laut OLG gerade nicht.

Sieht man sich somit einem Bußgeldverfahren mit anstehender gerichtlicher Hauptverhandlung ausgesetzt und möchte man gerne auf die entsprechende Teilnahme verzichten, kann es sich durchaus lohnen im Vorfeld mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen, der dann mit entsprechender Argumentation dieses Ziel erreichen kann. Ob dies im Einzelfall sinnvoll ist, muss nach anwaltlicher Beratung konkret entschieden werden.

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Jan Stockmann
Fachanwalt für Strafrecht

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