Das für seine exklusiven Küchenhauben bekannte Unternehmen Exklusiv-Hauben Gutmann GmbH mit Standort in Pforzheim hat das über ihr Vermögen laufende Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung auf Grundlage eines Insolvenzplans erfolgreich gestalten können. Mit Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 27.05.2019 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren kürzlich auf. Frisch befreit aus der Insolvenz kann das Unternehmen Gutmann damit wieder voll durchstarten.
Das Insolvenzverfahren ist unter Anordnung der Eigenverwaltung betrieben worden, wonach die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen bei der Geschäftsleitungverbleibt und keinem externen bestellten Insolvenzverwalter übertragen wird. Die Aufsichts- und Kontrollpflichten über die ordnungsgemäße Geschäftsführung übernahm in diesem Fall der, vom Insolvenzgericht bestellte Sachwalter, Rechtsanwalt Holger Blümle von der Kanzlei Schultze & Braun. Mit Unterstützung der Sanierungsexperten der Kanzlei M\S\L Dr. Silcher unter der Federführung des Rechtsanwalts Dr. Erik Silcher ist es gelungen, die wesentlichen Weichenstellungen für eine sanierende Fortführung des Unternehmens zu setzen.
BUNDESFINANZHOF (BFH)
Mit seinem Urteil am 02.04.2019 verkündeten Urteil stellte der Bundesfinanzhof klar, dass ein Insolvenzschuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens auch für Einkommensteuerschulden grundsätzlich persönlich haftet, die noch während des eröffneten Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter begründet worden sind und auch von diesem noch im Laufe des Insolvenzverfahrens hätten erfüllt werden müssen.
- Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Eigentümer eines bebauten Grundstücks, welches er vermietete. Im Dezember 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Insolvenzverwalterin setzte die Vermietung zunächst fort. Daraus ergaben sich – unstreitig – Einkünfte in insgesamt sechsstelliger Höhe. Anschließend wurde die Immobilie zu Gunsten der Masse veräußert.
Die Insolvenzverwalterin gab keine Steuererklärungen für den Kläger ab und leistete auch keine Zahlungen auf die aus der Vermietung entstandene Einkommensteuer. Das Insolvenzgericht erteilte dem Kläger im November 2010 die Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren wurde im April 2011 aufgehoben.
Im Rahmen einer ab Juni 2011 durchgeführten Außenprüfung erließ das beklagte Finanzamt im Jahr 2012 erstmals Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006, in denen es u.a. die Einkünfte aus Vermietung ansetzte. Die Bescheide gab es dem Kläger bekannt.
Der Beitrag befasst sich mit einer Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs zur Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen im Wege des Sanierungserlasses aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 27.03.2003, Gz. IV A 6 – S 2140 8/03. Demnach hat das BMF mit dem genannten Brief seine Kompetenzen überschritten und gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen. Der Gesetzgeber hat sich durch Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG aF bewusst gegen einen grundsätzlichen Sanierungserlass entschieden. Es verbleiben somit für eine Steuerbefreiung im Sanierungsfall nur die abweichende Festsetzung von Steuern gem. § 163 AO und der Erlass gem. § 227 AO, deren Anforderungen und einstweilige Anwendung der Beitrag darlegt. Perspektivisch wird die Einführung eines neuen § 3a EStG mit einer der bisherigen Lage entsprechenden gesetzlichen Regelung dargestellt.
Die vollständige Entscheidungsbesprechung finden Sie in der folgenden Datei.
Die DEG Deutsche Energie GmbH (nachfolgend: DEG) mit Sitz in Erlenbach (Baden-Württemberg) hat am 27.12.2018 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nebst Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gestellt. Auf Grundlage dieses Antrags erging mit Beschluss des Amtsgerichts -Insolvenzgericht- Heilbronn vom 28.12.2018 zur Verhütung nachteiliger Veränderungen in der Vermögenslage der DEG die Anordnung vorläufiger Maßnahmen, die unter anderem die vorläufige Eigenverwaltung vorsieht. Zum vorläufigen Sachwalter bestellte das Insolvenzgericht Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Hörmann.
Der Insolvenzantrag sei unausweichlich geworden, nachdem die DEG seit dem 22.12.2018 nicht mehr imstande ist, ihre ca. 50.000 Kunden mit Strom oder Gas zu beliefern. Hintergrund sind mehrere Kündigungen von Strom- und Gasversorgungsverträgen durch diverse Vertragspartner der DEG zum 21.12.2018, weil die DEG in Zahlungsverzug geraten sei. Hierdurch ist der Geschäftsbereich der DEG, nämlich der Vertrieb, die Herstellung und die Vermarktung von Strom-, Gas- und Energieprodukten, zusammengebrochen.
Durch eine gesetzlich vorgesehene Ersatzversorgung des örtlichen Grundversorgers ist jedenfalls für Kunden im Bereich Niederspannung/Niederdruck automatisch gewährleistet, dass sie durch die Einstellung der Energiebelieferung über die Wintertage nicht im Kalten bzw. im Dunklen sitzen müssen. Da dieser Automatismus für Kunden in der Mittelspannung/Mitteldruck nicht unmittelbar greift, sollten diese sich mit dem örtlichen Netzbetreiber in Verbindung setzen, um etwaige Strom- oder Gasabschaltungen zu vermeiden. Die Ersatzversorgung ist für gewöhnlich deutlich teurer, sodass der jeweilige Kunde im eigenen Interesse möglichst bald einen neuen Energieliefervertrag zu marktgerechten Konditionen abschließen sollte, um den wirtschaftlichen Schaden hierdurch zu reduzieren.
Im Wege der beantragten Eigenverwaltung forciert die DEG einen zügigen Weg hinaus aus der Insolvenz bei unveränderter Geschäftsführung durch die Unternehmensgruppe unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters. Der Vorteil der Eigenverwaltung im Vergleich zur herkömmlichen Insolvenzverwaltung liegt klar auf der Hand: Im Gegensatz zu einem bestellten Insolvenzverwalter kann das bereits bestehende Know-How im Unternehmen unmittelbar und effizient eingesetzt werden, um die bestehenden Schulden abzubauen und letztlich zum Wohle der Gläubiger der DEG das Insolvenzverfahren erfolgreich zu bewältigen.
Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist ein Schwerpunkt in der Beratungspraxis der Kanzlei M\S\L Dr. Silcher. Sollten sich Fragen im Zusammenhang mit der Thematik eines eigenverwalteten Insolvenzverfahrens stellen, so beraten Sie die Sanierungsexperten der Kanzlei M\S\L Dr. Silcher gerne.
Hubert Preisner
Rechtsanwalt, Associate attorney
Europäische Kommission gibt grünes Licht für Sanierungserlass…
…aber: Der deutsche Gesetzgeber muss nochmals aktiv werden
Am 13.08.2018 wurde bekannt, dass die Europäische Kommission der Bundesregierung in einem Brief mitteilte, dass die von der Bundesregierung geplante Änderung des Ertragssteuerrechts dahingehend, den Sanierungserlass unter gewissen Voraussetzungen für steuerfrei zu erklären, keine rechtswidrige Beihilfe eines Mitgliedstaats ist. Damit wäre der Weg für die konsequente Sanierung eines wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmens an einem wichtigen Punkt – fast –geebnet.
Hintergrund: Bisherige Praxis
Grundsätzlich kommt es für wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen, etwa im Rahmen erfolgreich bewältigter Insolvenzplanverfahren, zu einer Situation, in der einerseits im Wege des Schuldenschnitts ein Gläubiger auf seine Forderung teilweise verzichtet, andererseits dies aber zu einem buchmäßigen Gewinn des Schuldners führt, da dieser von bisherigen Verbindlichkeiten von jetzt auf gleich befreit wird. Dieser hierbei entstehende Sanierungsgewinn ist nach deutschem Ertragssteuerrecht in der Folge steuerpflichtig – sei es als Einkommensteuer, Gewerbesteuer oder Körperschaftsteuer.
Da hieraus eine erhebliche Steuerschuld entstehen könnte und damit die gerade erfolgte Sanierung des Unternehmens wiederum nachträglich gefährdet und konterkariert würde, stellt dieser Umstand für den Steuerpflichtigen eine erhebliche Härte dar. Aus diesem Grund veröffentlichte das Bundesministerium für Finanzen (BMF) im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Bundesländer ein Schreiben vom 27.03.2003, wonach unter gewissen Voraussetzungen (Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit des Unternehmens, Sanierungseignung des Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht des Gläubigers) ein Sanierungserlass von den Finanzbehörden zu gewähren ist. Das Ermessen der Verwaltung ist damit auf Null reduziert worden.
Großer Senat des BFH: Verstoß gegen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Dieser jahrelangen Praxis hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit seinem Beschluss vom 28.11.2016 (Az. GrS 1/15) eine Absage erteilt. Mit seiner am 07.02.2017 veröffentlichten Entscheidung stellt der Große Senat fest, dass die Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen im Wege des Sanierungserlasses aufgrund des Schreibens des BMF gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt.
Die Verwaltung darf also nur auf gesetzlicher Grundlage konkrete Rechtsfolgen, wie die Entscheidung der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns anordnen. Für den Sanierungserlass bestand aber gerade keine gesetzliche Grundlage, sondern lediglich das Schreiben des BMF vom 27.03.2003. Das BMF ist kein Gesetzgebungsorgan, hat aber mit diesem Schreiben quasi „durch die Hintertür“ eine Rechtsvorschrift mit Gesetzesqualität geschaffen – rechtsstaatlich ein unzulässiges Vorgehen. Nur die Gesetzgebungsorgane in Berlin selbst können eine derartige Rechtsfolge rechtsverbindlich für die Finanzverwaltungen vorsehen.
Doch zur Zeit der Entscheidung des Großen Senats des BFH sprach der Wille des Gesetzgebers gegen einen Erlass der Steuern aufgrund eines Sanierungsgewinns, denn seit dem Jahre 1998 war schließlich die Vorschrift des § 3 Nr. 66 EStG a.F. bewusst abgeschafft worden, demzufolge die Besteuerung eines Sanierungsgewinns dem Grunde nach steuerfrei war. Der gesetzgeberische Gedanke der Streichung dieses Steuerprivilegs war, dass mit der umfangreichen Möglichkeit eines Verlustvortrags die finanziellen Einbußen durch die Besteuerung des Sanierungsgewinns ohnehin auf ein Minimum reduziert wären. Außerdem bestehe die Gefahr, dass es zu einer doppelten Begünstigung der Steuerpflichtigen kommt, wenn sie einerseits den Sanierungserlass für sich beanspruchen und daneben auch noch ihre Verlustvorträge steuermindernd berücksichtigt werden könnten. Für die übrigen Fälle, in denen eine persönliche oder sachliche Unbilligkeit des Einzelfalls bestehen würden, stände schließlich noch die Möglichkeit offen, einen Antrag auf Erlass oder einen Antrag auf eine abweichende Festsetzung der entsprechenden Steuer bei der Finanzbehörde zu stellen.
Reaktionen auf den Beschluss des Großen Senats des BFH
Nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Großen Senats des BFH reagierte der Gesetzgeber in Berlin erfreulich schnell und führte nach einigen Beratungen im „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ unter anderem die Vorschrift des § 3a EStG n.F. ein (Gesetz vom 27.06.2017 – BGBl. Teil I 2017 Nr. 43 vom 04.07.2017, S. 2074 ff.). § 3a EStG n.F. sieht unter den bisher im BMF-Schreiben vom 27.03.2003 festgelegten Voraussetzungen eine Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen vor. „Dadurch wird die Rechtssicherheit für die Unternehmen in Sanierungsprozessen erhöht, da die Steuerbefreiung ohne Ermessensspielraum seitens der Finanzverwaltung zu gewähren ist.“ (BT-Drucks. 18/12128 vom 26.04.2017, S. 32).
Das Gesetz soll für alle Fälle gelten, die nach dem 08.02.2017 (Tag der Veröffentlichung des BFH Beschlusses) verwirklicht wurden. Wiederum sollten für sogenannte Altfälle, also die Fälle bis zum Tag der Veröffentlichung des BFH Beschlusses, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten der Sanierungserlass weiterhin angewendet werden.
Parallel dazu reagierte das BMF mit einem Folgeschreiben vom 27.04.2017, in dem auf die Altfälle vor dem 08.02.2017 regulierend eingewirkt wird. Sowohl der Erste Senat (Az. I R 52/14) als auch der Zehnte Senat (Az. X R 38/14) des Bundesfinanzhofs erkannten in ihren Urteilen – jeweils vom 23.08.2017 – jedoch folgerichtig, dass dieses Schreiben ebenfalls gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, denn auch selbst nur für Altfälle darf das BMF sich nicht als Gesetzgeber aufschwingen. Für ein derartiges Verwaltungshandeln entbehrt es einer gesetzlichen Grundlage.
Ausblick und Auswirkung für die Praxis
Die EU-Kommission gibt also grünes Licht für die in Deutschland vorgesehene Steuerfreiheit des durch Schuldenerlass erzielten Gewinns eines zu sanierenden Unternehmens. Allerdings stellt sich aktuell noch ein formales Problem dahingehend, dass das „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ für sein Inkrafttreten als Bedingung voraussetzt, dass die Europäische Kommission durch Beschluss entscheiden muss. Vorliegend jedoch entschied sich die EU-Kommission gegen die Verkündung eines Beschlusses, sondern für eine Mitteilung im Rahmen eines sogenannten Comfort-Letters. Ein Comfort-Letter ist lediglich als Unbedenklichkeitsbescheinigung auszulegen und hat als Kernaussage, dass die EU-Kommission jedenfalls nicht von sich aus beihilferechtliche Schritte gegen die Bundesrepublik Deutschland einleiten wird. Er schützt jedoch nicht absolut rechtssicher davor, dass nachträglich noch Rechtsbehelfe gegen die deutschen Steuerpraktiken eingelegt werden könnten, weil er nicht in Bestandskraft erwächst. Daher dürfen vor nationalen Gerichten und auch vor der EU-Kommission selbst Rechtsbehelfe gegen den „deutschen“ Weg der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen eingelegt werden.
Da sich das Änderungsgesetz also formal auf eine Bedingung stützt, die nicht eintreten wird, ist nun der Gesetzgeber gefragt, im Wege eines weiteren Änderungsgesetzes festzulegen, dass das Gesetz auch im Lichte des Comfort-Letters der EU-Kommission in Kraft treten kann. Es ist zu erwarten, dass sich der Wortlaut des bisherigen § 3a EStG n.F. oder die damit korrespondierenden Vorschriften im Gewerbesteuergesetz sowie im Körperschaftsteuergesetz nicht ändern werden.
Zwar ist das Gesetz noch nicht in Kraft, so dass man sich de lege lata nicht direkt auf seine Rechtsfolgen stützen kann. Jedoch wird man auch kurzfristig vor Finanzbehörden oder Gerichten mit guten Gründen de lege ferenda argumentieren können, dass der Sanierungserlass nunmehr in das deutsche Steuerrecht Einzug gehalten hat. Damit sind die bisher bestehenden Bedenken bezüglich einer Besteuerung des sogenannten Sanierungsgewinns wohl vom Tisch und einer Sanierung – etwa im Wege eines Schuldenschnitts durch Insolvenzplan – der Weg geebnet.