Zum 1. Januar 2021 ist das neue Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) in Kraft getreten, welches neben der Einführung des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRuG) auch Änderungen in der Insolvenzordnung mit sich gebracht hat. Insbesondere wurden die §§ 270 bis 270f InsO überarbeitet, die das Verfahren in Eigenverwaltung betreffen, und die entsprechenden Voraussetzungen so verschärft, dass der Zugang zu diesem erheblich erschwert wurde.

 

Demnach sieht § 270a InsO vor, dass ein Schuldner bei dem Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eine „vollständige und schlüssige Eigenverwaltungsplanung“ vorlegen muss, die insbesondere die folgenden Punkte umfassen muss:

  • Finanzplan für den Zeitraum von sechs Monaten, der eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll (§ 270a Abs. 1 InsO)
  • Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden (§ 270a Abs. 2 InsO)
  • Darstellung des Stands von Verhandlungen mit Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen (§ 270a Abs. 3 InsO)
  • Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen (§ 270a Abs. 4 InsO)
  • Begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden (§ 270a Abs. 5 InsO)

Des Weiteren muss die Eigenverwaltungsplanung u. a. auch Angaben zu Zahlungsrückständen gegenüber Gläubigern, wie z. B. Arbeitnehmern und Sozialversicherungsträgern enthalten (§ 270a Abs. 2 Nr. 1 InsO). Auch muss der Schuldner klären, ob in den vergangenen drei Jahren gegen ihn Vollstreckungs- und Verwertungssperren nach der InsO oder dem StaRuG angeordnet wurden (§ 270a Abs. 2Nr. 2 InsO) und ob er seinen Offenlegungsverpflichtungen nach dem HGB nachgekommen ist (§ 270a Abs. 2 Nr. 3 InsO).

Ziel des Finanzplanes ist, dass das Gericht sich vor der Anordnung der Eigenverwaltung ein umfassendes Bild des Schuldners machen kann.

Dies führt zu neuen Herausforderungen in der Sanierungspraxis. Es bedarf nun einer fachgerechten und sorgfältigen Planung und aufwendigen Vorbereitung der benötigten Dokumente für die Antragstellung. Bei Nichterfüllung der Voraussetzungen droht dem Schuldner Ablehnung des Antrags oder Aufhebung der Eigenverwaltung. Nur im Falle einer vollständigen und schlüssigen Eigenverwaltungsplanung, die auf zutreffende Tatsachen stützt, soll das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anordnen und einen vorläufigen Sachwalter beauftragen.

Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unserer auf Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei stehen Ihnen gerne jederzeit in allen rechtlichen Fragen bzgl. des Insolvenzantrages Ihres Unternehmens zur Seite.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen pandemiebedingter Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist beendet.

Seit dem 1. Mai 2021 gilt wieder die uneingeschränkte Insolvenzantragspflicht.
Das heißt: Ist ein Unternehmen also zahlungsunfähig oder überschuldet, muss innerhalb von drei Wochen (Zahlungsunfähigkeit) bzw. sechs Wochen (Überschuldung) ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden. Ansonsten droht die persönliche Haftung wegen Insolvenzverschleppung.

Leider scheint bislang nicht jedem Unternehmen bewusst gewesen zu sein, dass die unterschiedlichen Aussetzungsregelungen mit bestimmten Bedingungen einhergingen:

Die vom 01.02. bis 30.04.2021 ausgesetzte Insolvenzantragspflicht galt für Schuldner, die einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung aus dem staatlichen Corona-Hilfsprogramm hatten und noch auf die Auszahlung warten mussten; vorausgesetzt, dass der entsprechende Antrag bis zum 28.02.2021 vorlag und die beantragte Hilfe den Grund zur Insolvenz beseitigen kann.

Dies bedeutet für Geschäftsführer und/oder Gesellschafter eine erhöhte Sorgfaltspflicht bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Insolvenzantragspflicht vorliegen, denn die Verletzung dieser gilt in Deutschland als Straftat gem. § 15a Abs. 4 InsO. Demnach drohen Geschäftsleitern bei einer verspäteten Insolvenzantragsstellung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Als auf Insolvenzrecht spezialisierte Kanzlei stehen unsere qualifzierten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen Ihnen bei rechtlichen Fragen bzgl. einer möglichen Antragspflicht Ihres Unternehmens zur Seite.

Sollte die Insolvenzantragspflicht bei Ihnen bereits vorliegen oder der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung drohen, prüfen wir zudem mit Ihnen die Möglichkeiten einer Sanierung und unterstützen Sie bei der Antragsstellung.

Die von der Bundesregierung gestellten Corona-Soforthilfen sollen Selbstständigen und Kleinunternehmern bei Liquiditätsengpässen helfen. Aus diesem Grund scheidet nach Ansicht des BGH eine Pfändung dieser Hilfen wegen Schulden, die bereits vor der Pandemie entstanden sind, aus.
Folgender Sachverhalt: Die Schuldnerin erhielt im April 2020 Corona-Soforthilfen i. H. v. 9.000 €, welche auf ihr Pfändungskonto überwiesen wurden. Um eine Pfändung dieser Soforthilfen zu vermeiden, beantragte die Schuldnerin beim Vollstreckungsgericht eine Erhöhung des pfändungsfreien Betrags um 9.000 € aus den Corona-Hilfen. Der Gläubiger, der zur Begleichung seiner Forderung den Betrag vollstrecken wollte, legte daraufhin Beschwerde ein, welche in letzter Instanz vom BGH mit Beschluss VII ZB 24/20 am 10. März 2021 zurückgewiesen wurde.

Der BGH führt wie folgt aus:

  • Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine nach 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung handelt. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit der Corona-Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist hinsichtlich des auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin gutgeschriebenen Betrags in Höhe von 9.000 € der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen
  • Die Corona-Soforthilfe ist ausweislich der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen als zweckgebunden einzustufen (vgl. u.a. BFH, Beschluss v. 9.7.2020 – VII S 23/20; LG Köln, Beschluss v. 23.4.2020 – 39 T 57/20).
  • Zur Beurteilung der Zweckbindung der Corona-Soforthilfe sind der Bewilligungsbescheid und die Programme des Bundes und der Länder heranzuziehen. Ausweislich dieser Programme und des diese umsetzenden Bescheids dient die Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt (1.2 und 1.3 NRW-Soforthilfe 2020, Ministerialblatt – MinBl – Nordrhein-Westfalen 2020, S. 360), der Abmilderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens beziehungsweise des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.
  • Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1.3.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken. Ausdrücklich nicht umfasst sind nach dem Bescheid vor dem 1.3.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. Aus den Bestimmungen zur Beihilfegewährung geht hervor, dass die Corona-Soforthilfe nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen dient, die – wie im Streitfall – vor dem 1.3.2020, sondern nur solchen, die seit dem 1.3.2020 entstanden sind. Die Mittel sind zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, wobei die Entscheidung darüber, welche Ausgaben damit getätigt werden und in welcher Reihenfolge damit Forderungen erfüllt werden, nach den Förderbestimmungen allein dem Empfänger der Soforthilfe obliegt, der eine zweckentsprechende Verwendung später auch zu verantworten hat.
  • Die besondere Zweckbindung rechtfertigt es, die Gewährung der Corona-Soforthilfe der Auszahlung einer der Sicherung des Lebensunterhalts dienenden Sozialleistung gleichzustellen mit der Folge, dass auf Antrag des Schuldners in entsprechender Anwendung des 850k Abs. 4 ZPO der pfändungsfreie Betrag um den Betrag der gewährten Soforthilfe zu erhöhen ist.

Bisher gibt es noch keine gesetzliche Regelung zur Erhöhung des Pfändungsfreibetrages um etwaige ausgezahlte Corona-Soforthilfen. Im Laufe des Jahres soll jedoch das bereits beschlossene Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz in Kraft treten, welches dann eine entsprechende Regelung enthalten wird.

Bis dahin, so der BGH, bleibt es bei der entsprechenden Anwendung des § 850k Absatz 4 ZPO.

 

(Quelle: BGH, Beschluss v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20; NWB Datenbank (JT))

Sonnenbühl, 1. April 2021 — Zum 1. April 2021 hat das zuständige Amtsgericht das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung über das Vermögen der Walter Möck GmbH eröffnet und Herrn Dr. Alex Kulas zum Sachwalter bestellt. Unterstützt wird die Eigenverwaltung durch die Kanzlei MSL Dr. Silcher, die auf die rechtliche Beratung von Insolvenzplanverfahren in der Eigenverwaltung spezialisiert ist.

Die Walter Möck GmbH ist seit rund 50 Jahren ein etabliertes Unternehmen auf dem Gebiet der CNC Komplettbearbeitung, Herstellung von Sonderwerkzeugen, Baugruppen und Sondermaschinen mit eigenen Patenten. Die Unternehmenstätigkeit umfasst außerdem die hausinterne Entwicklung und Konstruktion von Sondermaschinen, einschließlich der mechanischen und elektrischen Montage.

Die Walter Möck GmbH beschäftigt 43 Mitarbeiter und 6 Auszubildende. Im Jahr 2019 erzielte das Unternehmen noch einen Umsatz von ca. 9,2 MEUR. Die Corona-Pandemie hat zu einem Umsatzeinbruch geführt, woraufhin das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,5 MEUR erzielt hat. Das Unternehmen verfügt über ein solides Geschäftsmodell und langfristige Beziehungen zu Kunden. Außerdem verfügt es über einen modernen CNC Maschinenpark und einer guten Auftragslage, da im Maschinenbau neue Sonderaufträge generiert werden konnten.

Die Kanzlei MSL Dr. Silcher übernimmt nicht nur die insolvenzrechtliche Beratung der Mandanten, sondern auch die Abwicklung der damit verbundenen weiteren Schritte, wie z. B. die Suche nach einem geeigneten Investor. Hier haben wir für die Walter Möck GmbH u. a. im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahren das Erstellen und Schalten einer Print-Anzeige in den Medien in die Wege geleitet.

Verkaufsanzeige Walter Möck GmbH

 

Da sich die Auszahlung der bereitgestellten staatlichen Corona-Hilfen verzögert hat, geht die Bundesregierung den Unternehmen, die sich in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden und noch immer auf das beantragte Geld warten, entgegen.

Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. April 2021 soll dazu dienen, die Folgen der Pandemie für die Wirtschaft abzufedern. Bisher galt eine Insolvenzaussetzung bereits bis zum 31. Januar 2021.

Die Verlängerung solle den Schuldnern zugutekommen, die einen Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den aufgelegten Corona-Hilfsprogrammen haben und deren Auszahlung noch aussteht. Voraussetzung sei grundsätzlich, dass die Hilfe bis zum 28. Februar 2021 beantragt werde und die erlangbare Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet sei.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt aber nur, wenn die Krise pandemiebedingt ist und mit einer Auszahlung der Hilfen zu rechnen ist. Schließlich müsse durch die staatlichen Gelder eine Überlebenschance für das Unternehmen bestehen.

Diese gesetzgeberische Neuregelung ist auf den ersten Blick sicher nachvollziehbar. Jedoch muss bei näherer Überlegung gesehen werden, dass in der Unternehmenswelt infolge der immer neuen Regeln zu Ausnahmen bei der Insolvenzanmeldepflicht inzwischen eine doch erhebliche Unsicherheit entstanden ist.

Es ist gar für den erfahrenen Insolvenzexperten nicht einfach, den sich ergebenden Regelungsdschungel ohne größere Blessuren zu durchschreiten.

Die hinzu kommende seit dem 01. Januar 2021 in Kraft getretene Reform des Insolvenz- und Sanierungsrechts mit Schaffung von Erleichterungen im Rahmen einer außergerichtlichen Unternehmenssanierung schafft einen zusätzlichen erhöhten Informationsbedarf für betroffene Unternehmer.

An dieser Stelle sollte auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass das deutsche Insolvenzrecht ja bereits seit der so genannten ESUG-Reform im Jahre 2012 ein sich in den letzten Jahren in der Praxis bewährtes Instrumentarium zur Krisenbewältigung für Unternehmen bereithält. Angesprochen ist hier das Eigenverwaltungsverfahren. Mit Hilfe dieses Instrumentariums konnten in den letzten Jahren nicht nur viele große bekannte Unternehmen gerettet werden, sondern auch Firmen aus dem Mittelstand und Kleinstunternehmer. Es ist abzusehen, dass die Anzahl der Eigenverwaltungsanträge bei den Insolvenzgerichten stetig steigen wird in den nächsten Wochen und Monaten.

Die bereits seit Monaten aus Expertenkreisen zu vernehmenden Einschätzungen bezüglich eines erheblichen Anstiegs der Firmenpleiten in dem angelaufenen Jahr werden immer wahrscheinlicher. Der Anstieg verläuft deshalb wohl langsam, da momentan die Politik alles daransetzt, eine Insolvenzwelle im Wahljahr 2021 zu verhindern. Bereits die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis in den Zeitraum nach Stattfinden der Bundestagswahl war ein eindeutiges Signal dafür, dass weitere Hilfspakete geschnürt werden. Die gesetzgeberischen Maßnahmen und insbesondere die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für einen derart langen Zeitraum erfährt aus Expertenkreisen starke Kritik. Deren Einwände sind nicht abwegig, denn es ist offensichtlich, dass die Zahl der so genannten „Zombie-Unternehmen“ immer weiter wächst. Die künstliche „Lebensverlängerung“ bei derartigen Unternehmen führt natürlich auch dazu, dass eigentlich gesunde Unternehmen, die darauf angewiesen sind, Kunden zu haben, die darauf angewiesen sind, Lieferanten zu haben, gefährdet werden. Diese Unternehmen kommen infolge der Forderungsausfälle selbst in Zahlungsschwierigkeiten. Als Folge kann eine Art Kettenreaktion ausgelöst werden: im Kern gesunde Unternehmen werden von der Pleitewelle erfasst und weggespült.

Mithin steht jedenfalls fest, dass durch staatliche Maßnahmen ganz sicher nicht jedes kriselnde Unternehmen vor dem Gang in die Insolvenz bewahrt werden kann.

Für den betroffenen Geschäftsleiter eines Unternehmens wird es immer dringlicher, sich einen Insolvenz- und Sanierungsexperten an die Seite zu holen, um die richtige Vorgehensweise bei der Bewältigung der Krise zu wählen und um sich auch keinen vermeidbaren Haftungsgefahren auszusetzen.