Das StaRUG als Rettungsschirm für angeschlagene Unternehmen?

Zwar ist bislang die von einigen Experten heraufbeschworene Pleitewelle auch nach Auslaufen der Sonderregelungen zu Insolvenzantragspflichten maßgeblich infolge der staatlichen Hilfen in Form von Zuschüssen und Kurzarbeitergeld bislang ausgeblieben.

Allerdings ist zu konstatieren, dass im November ein Anstieg der Insolvenzanmeldungen zu verbuchen ist. Zwar ist damit noch nicht das Vorjahresniveau erreicht, aber dennoch sind das dunkle Zeichen in der Unternehmenswelt.

Es muss gesehen werden, dass die finanziellen Hilfen, die an die Unternehmen im Rahmen der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ausgezahlt wurden, überwiegend unter dem Vorbehalt der Überprüfung in einer Schlussabrechnung stehen. Für einige Unternehmen könnte die teilweise oder sogar vollständige Rückzahlung dieser Gelder zu einer nicht zu verkraftenden Belastung werden. Die Überbrückungshilfen wurden zwar noch einmal bis in den Sommer des nächsten Jahres verlängert, aber dennoch wird man sich hier in einigen Branchen, vor allem die Gastronomie und das Hotelgewerbe irgendwann den Realitäten des Eintritts neuer Marktbedingungen stellen und eine Neukonzeption des Geschäftsmodells überdenken müssen.

Mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) wurden nun zu Beginn des Jahres 2021 die Vorgaben der Richtlinien zum präventiven Restrukturierungsrahmen umgesetzt. Hiermit wurde, wie von der Richtlinie vorgegeben, das verfahrensrechtliche Instrumentarium für sanierungswillige Unternehmensträger eingeführt, und zwar auch in den Konstellationen, in denen von Teilen der Gläubiger dem Sanierungskonzept mit Widerstand begegnet wird. Für die Zeit bis zu einer Entscheidung über einen von der Gläubigerschaft mehrheitlich anzunehmenden Restrukturierungsplan, der auch mit der entsprechenden gerichtlichen Bestätigung auch Wirkung gegenüber den Gläubigern, die dem Plan keine Zustimmung gegeben haben, entfaltet, können Stabilisierungsanordnungen etwa in Form von Vollstreckungssperren erwirkt werden.

Es stellt sich die Frage, ob sich der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen tatsächlich zur nachhaltigen Beseitigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eignet?

Der im Herbst 2020 in seinen maßgeblichen Zügen stattfindende Gesetzgebungsprozess zur Umsetzung der EU-Richtlinienvorgaben wurde selbstverständlich stark beeinflusst durch die massiven Auswirkungen, die die vorgenommenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Pandemie auf die Wirtschaft hatten. Insbesondere der Umstand der doch sehr eilig erfolgten Umsetzung des SanInsFoG ist nach Expertenauffassung darauf zurückzuführen, dass man die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht schlicht nicht grundsätzlich verlängern wollte, zugleich aber Unternehmen und ihrer Geschäftsleitung ein positives Signal setzen wollte und zusätzlichen Anreiz bieten wollte für die Einleitung proaktiv ausgerichteter Restrukturierungsmaßnahmen.

Der praktische Nutzen bzw. die breite Annahme dieses neuen Sanierungsinstruments durch die Wirtschaftswelt bleibt abzuwarten. Dass sich mit den Instrumenten des StaRUG jedes Krisenunternehmen sanieren kann, wäre eine doch sehr gewagte These. Oftmals scheitert eine Sanierung des Geschäftsbetriebes nicht an fehlenden rechtlichen Mitteln bzw. Instrumenten, sondern schlicht und einfach an einem gegebenenfalls nicht mehr zeitgemäßen und daher nicht mehr rentablen Geschäftsmodell und zudem an den äußeren Marktumständen. Auch muss man sich vor Augen führen, dass Sanierungen mit erforderlichen Eingriffen in die Rechte der Arbeitnehmer dem als umfassenderen Verfahren ausgestellten förmlichen Insolvenzverfahren vorbehalten bleiben sollen. Der vom StaRUG vorgehaltene „Werkzeugkasten“ soll hierfür nicht das passende Instrumentarium bieten.

Es ist für viele Experten fraglich, ob das Instrumentarium des Sanierungs- und Restrukturierungsrahmens ausreicht, um die oftmals tiefgreifenden wirtschaftliche Folgen, die die Unternehmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie erlitten haben, zu beseitigen bzw. zumindest zu reduzieren. Es ist zunächst daran zu erinnern, dass dem Instrumentarium des StaRUG keine kollektive Wirkung zukommt. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei den Instrumenten um einen modularen Rahmen – eine Art Werkzeugkasten“, mit dem selektiv Maßnahmen zur Schuldenbereinigung getroffen werden können. Dies steht im Gegensatz zu der in einem Insolvenzverfahren bestehenden Möglichkeit der Durchführung einer Eigenverwaltung. Des Weiteren ist zu bedenken, dass der zwischenzeitlich stattfindende Eintritt der Insolvenzreife während Stattfindens des StaRUG-Verfahrens zu dessen vorzeitigem Ende führt. Dies bedingt auch den Umstand, dass die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens von vornherein eine dazu ausreichende Liquidität im Unternehmen voraussetzt. Auch die Möglichkeiten der operativen Sanierung zum Beispiel durch die Möglichkeiten der Kappung von Dauerschuldverhältnissen gemäß §§ 103 ff. InsO und die Schaffung eines Liquiditätspuffers durch die Gewährung von Insolvenzausfallgeld sind beschnitten, so dass einige Zweifel gesät sind, ob denn nun mittels der Anwendung des StaRUG effektiv pandemiebedingten leistungswirksamen Schieflagen begegnet werden kann.

Hinzu kommt noch, dass es sich bei dem StaRUG um ein sehr komplexes rechtliches Instrumentarium handelt. Der Zugang wird für viele kleine und mittelständische Betriebe gar nicht erst eröffnet sein. Diese Betriebe verfügen in der Regel nicht über die erforderliche rechtliche und betriebswirtschaftliche Beratungsexpertise für die Vorbereitung und Durchführung eines StaRUG-Verfahrens. Für diese liegt auch weiterhin der Rückgriff auf die umfangreicheren Regelungen und Möglichkeiten eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung nahe. Insbesondere in den Fallkonstellationen, in denen die finanztechnische Sanierung von einer umfassenden operativen Restrukturierung des Geschäftsbetriebes begleitet werden muss, bietet sich allein eine eigenverwaltete Planinsolvenz an.

Die gerade auch durch die zwischenzeitlich leider einen undurchdringlichen Dschungel bildenden Regelungen des COVInsAG herbeigerufenen Haftungsgefahren für Geschäftsleiter sind ein weiterer Grund für die skeptische Sichtweise auf eine verbreitete Anwendung des StaRUG-Instrumentariums.

Auch wenn der Zugang zu dem Instrument der eigenverwalteten Insolvenz durch das zu Beginn des Jahres 2021 in Kraft getretene Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz mittels Implementierung höherer (Darlegungs-)Anforderungen verschärft worden sein mag, zeitigt dies nach unserer Ansicht in erster Linie einen positiven Effekt in der Form, dass infolge der Zulassung lediglich gut vorbereiteter und ernsthaft beabsichtigter Anträge auf Anordnung der Eigenverwaltung der gerichtlichen Eigensanierung seitens der weiteren Verfahrensbeteiligten eine höhere Akzeptanz und ein größeres Vertrauen entgegengebracht werden wird.

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Robert M. Gillmann

Robert M. Gillmann
Rechtsanwalt
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