10-jähriges Jubiläum ESUG-Reform – ein Grund zum Feiern?

Es sind jetzt auch schon zehn Jahre ins Land gestrichen… wie die Zeit vergeht!

Am 01.03.2012 trat die Insolvenzreform unter dem Kürzel ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) in Kraft. Durch die Einführung des „ESUG“ ist die Möglichkeit der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen in einer Krise durch ein Insolvenzverfahren in den Fokus gerückt. Es ermöglicht Unternehmen seither die Durchführung der Insolvenz in Eigenverwaltung.

Mit dem Inkrafttreten des ESUG am 01. März 2012 setzte der Gesetzgeber erstmals an den wirtschaftlichen Realitäten von Unternehmen in der Krise und den vielfach bestehenden Ängsten der beteiligten Entscheidungsträger vor dem Gang zum Insolvenzrecht an. Das ESUG veränderte die Spielregeln des Insolvenzrechts zu Gunsten der Sanierung krisenbefangener Unternehmen vollständig und verlagerte die Aufgaben und Möglichkeiten für Unternehmer wie für Berater in das Vorfeld einer drohenden Insolvenz. Damit bezog der Gesetzgeber zum ersten Mal die betrieblichen Probleme eines Unternehmens in der Krise in seine Überlegungen ein und öffnete diesem ein Fenster, das es in der mehr als 130-jährigen Geschichte des Insolvenzrechts in Deutschland nicht gegeben hat. Geschaffen wurden Instrumente, die es ermöglichen, dass der Schuldner in Abstimmung mit seinen wichtigsten Gläubigern planbare und verfahrenssicher auszugestaltende Sanierungsverfahren unter dem Schutze des Insolvenzrechts betreiben kann.

Insgesamt kann eine positive Bilanz gezogen werden. Die Verfahrensart wurde durch die Praxis gut angenommen. Als Beispiele können die Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin 2017 und des Modeunternehmens Gerry Weber im Jahre 2019 angeführt werden. Ein positiver Wandel der Sanierungskultur hat deutlich stattgefunden – so die nahezu einhellige Expertenmeinung. Zudem ist zu beobachten, dass sich der Dialog zwischen den an einem Insolvenzverfahren Beteiligten verbessert hat. Dies hat zur Folge, dass nicht nur für die Gläubigerseite, sondern vielmehr auch für Finanzpartner und Kunden der betroffenen Unternehmen das Verfahren transparenter und planbarer geworden ist. Das Sanierungsinstrument der Eigenverwaltung (in aller Regel verbunden mit der Implementierung eines Insolvenzplanes – der eigentlichen Eigensanierung) ist zwischenzeitlich zu einer ernst zu nehmenden „Konkurrenz“ zur Insolvenz-/ also Fremdverwaltung geworden.

Es ist zu konstatieren, dass immer häufiger durch einen Insolvenzplan die Sanierung unter Erhaltung des Rechtsträgers stattfindet, während zuvor der Weg über eine übertragende Sanierung / einem asset deal das Mittel der Wahl gewesen ist. Ein mit dem ESUG geschaffenes Instrument hat sich hingegen nicht durchgesetzt: der so genannte Debt-Equity-Swap im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens. Mit diesem Instrument ist es möglich, Forderungen in Unternehmensanteile umzuwandeln. Nach Expertenmeinung sprechen in erster Linie zwei Gründe gegen die Nutzung dieses Instruments: Zum einen ist die rechtstechnische Ausgestaltung doch sehr kompliziert. Zum anderen ist es auch weiterhin zu sehen, dass die Beteiligung an einem Unternehmen etwa für Banken grundsätzlich kein Teil ihres Geschäftsgebarens ist.

Die mit dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz  erfolgten Verschärfungen des Zugangs zur Eigenverwaltung hat nach vorherrschender Meinung auch nochmals das Image des Eigenverwaltungsverfahrens dadurch aufgebessert, dass der Kreis der Unternehmen, die dieses Sanierungsinstitut für sich in Anspruch nehmen, enger gezogen werden kann und solche Verfahren von vornherein ausscheiden, die nicht gut vorbereitet sind bzw. eine ernsthafte Sanierungsoption von vornherein nicht gegeben ist.

Im Rahmen der nachjustierten tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Eigenverwaltung werden die Interessen der Gläubiger stärker betont. Der Verzicht auf die Bestellung eines die Gläubigerinteressen wahrnehmenden Insolvenzverwalters ist nur dann gerechtfertigt, wenn und solange erwartet werden kann, dass die Schuldnerin bereit und in der Lage ist, ihre Geschäftsführung an den Gläubigerinteressen ausrichten. Der mit Anordnung einer (vorläufigen) Eigenverwaltung verbundene Vertrauensvorschuss ist insbesondere nur dann gerechtfertigt, wenn die Schuldnerin das Eigenverwaltungsverfahren rechtzeitig und gewissenhaft vorbereitet, bevor sie unter den von einer akuten Zahlungsunfähigkeit ausgehenden Handlungsdruck gerät. Es wird gesetzlich statuiert, dass die Schuldnerin künftig mit dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine Eigenverwaltungsplanung vorzulegen hat, die unter anderem ein Grobkonzept für die Bewältigung der insolvenzauslösenden Krise und ein Finanzplan enthält, aus dem sich ergibt, dass und wie die Unternehmensfortführung für einen Zeitraum von mindestens sechs Monate sichergestellt ist. Des Weiteren hat die Planung eine begründete Darstellung der Kostenvor- und- nachteile der Eigenverwaltung im Vergleich zum Regelverfahren zu enthalten.

Alles in allem schaffen diese verschärften (Darlegungs-)Anforderungen bei einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung nach verbreiterter Ansicht einen positiven Effekt dergestalt, dass infolge der Genehmigung lediglich gut vorbereiteter und ernsthaft beabsichtigter Anträge auf Anordnung der Eigenverwaltung diesem Sanierungsinstrument von Seiten der weiteren Verfahrensbeteiligten eine höhere Akzeptanz und ein größeres Vertrauen zuteilwerden dürfte.

Es ist weiterhin mit Spannung zu verfolgen, ob das durch die Insolvenzreform 2021 geschaffene Instrument zur außergerichtlichen Unternehmenssanierung, das StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen), dem Institut der Eigenverwaltung den Rang ablaufen wird. Momentan kann allerdings nicht einmal konstatiert werden, dass das StaRUG überhaupt in der Praxis angekommen ist.

Ein Vergleich beider Sanierungsinstrumente zeigt folgendes Bild:

Das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG dürfte sich speziell für Fallkonstellationen einer frühzeitig auf’s Gleis gesetzten finanziellen Restrukturierung eignen. Der Schuldner behält dabei die Kontrolle über das operative Geschäft und über das Verfahren. Das schuldnerische Unternehmen gerät in seinem operativen Wirken nicht ins Stocken, da es mit dem Instrumentenkasten des StaRUG etwa Kunden und Lieferanten von den Maßnahmen ausklammert und die Restrukturierung auf Finanzgläubiger/Kreditgeber konzentriert. Die Gestaltungsoptionen für die Betriebsfortführung sind vielfaltig, da bei der Auswahl der Planbetroffenen und der Gestaltung des Restrukturierungsplans dem Schuldner maximale Flexibilität offeriert wird. Auch wird aufgrund der gezielten Eingriffe in einzelne Vertragsverhältnisse bzw. Geschäftsverbindungen mehr oder weniger geräuschlos eine Sanierung durchgeführt, um als wiedererstarkter und insbesondere solventer Geschäftspartner aus dem Verfahren hervorzugehen.

Das Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung hingegen ist dann als vorzugswürdiger Weg zu betrachten, wenn neben der finanziellen Restrukturierung auch eine betriebswirtschaftliche Neuausrichtung des Geschäftsbetriebs zum Ziel ausgerufen wurde. Als Vorteile gegenüber dem StaRUG sind hierbei insbesondere die weitreichenden und zeitlich unbefristeten Schutzmechanismen zu nennen. Für die Zielsetzung einer weitgefassten Restrukturierung finanzieller Verbindlichkeiten bietet allein das gerichtliche Sanierungsverfahren die richtigen Werkzeuge. Die Insolvenzgeldvorfinanzierung verschafft dem Schuldner in der Phase der Planvorbereitung einen Liquiditätspuffer und sorgt damit für eine wichtige finanzielle Entspannung. Gleichzeitig können mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungünstige Verträge etwa aus dem Bereich Kfz-Leasing oder Maschinen-Mieten beendet werden.

Mit guten Gründen lässt sich daher behaupten, dass das deutsche Recht einen veritablen Rahmen für Unternehmenssanierungen bereithält und der Unternehmenswelt vor den sich stellenden wirtschaftlich harten Zeiten in dieser Hinsicht jedenfalls nicht angst und bange werden sollte.

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Robert M. Gillmann

Robert M. Gillmann
Rechtsanwalt
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