Fluggastrechte bei Flugausfall durch EuGH gestärkt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat durch sein Urteil vom 11.05.2023 (in den verbundenen Rechtssachen Az.: C-156/22 bis C-158/22) die Rechte von Fluggästen bei Flugannullierungen  gestärkt, da auch ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen besteht, wenn der Flug kurzfristig wegen des Todes des Kopiloten abgesagt wurde.

Im streitgegenständlichen Fall sollte die Fluggesellschaft TAP Air Portugal im Juli 2019 einen Flug von Stuttgart nach Lissabon um 6:05 Uhr vornehmen. Jedoch verstarb der Kopilot für den betreffenden Flug am selben Tag einige Stunden zuvor unerwartet in seinem Hotelzimmer. Die gesamte Besatzung des betreffenden Fluges meldete sich aufgrund des dadurch ausgelösten Schocks fluguntauglich. Der Flug musste annulliert werden. Da vor Ort kein Ersatzpersonal stationiert war, musste erst eine Ersatzcrew nach Stuttgart eingeflogen werden, um die Passagiere um 16:40 Uhr in einem Ersatzflug nach Lissabon zu befördern.

Die Fluggesellschaft TAP Air Portugal verweigerte den Passagieren eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1)), da sie der Meinung war, dass der Tod des Kopiloten ein „außergewöhnlicher Umstand“ nach der benannten Fluggastrechteverordnung sei und darum keine Ausgleichszahlungen zu leisten wären.

In der 1. Instanz beim Amtsgericht Nürtingen wurde die Fluggesellschaft zu Ausgleichszahlungen verurteilt. Die Fluggesellschaft legte dagegen Berufung ein. In der 2. Instanz stellte das Landgericht Stuttgart fest, dass die Thematik umstritten ist und bat das EuGH um Klarstellung der Rechtslage.

Der EuGH entschied, dass die Fluggesellschaft Ausgleichszahlungen an die Passagiere zu leisten hat. Durch den plötzlichen und unerwarteten Tod des Kopiloten sei kein „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 eingetreten. Der Fall sei zwar tragisch, aber rein rechtlich sei ein Todesfall einer unerwarteten Krankheit gleichzustellen, da es nur auf die Abwesenheit des Besatzungsmitgliedes ankomme und nicht auf deren medizinische Ursache. Es könne jederzeit zu einem unerwarteten Krankheits- oder Todesfall bei der Besatzung kommen, so dass dies die Einsatz- und Personalplanung bei der Fluggesellschaft betreffen würde, welche unter die normale Ausübung der Tätigkeiten einer Fluggesellschaft fällt.

Entsprechend kann die Annullierung eines Fluges aufgrund des unerwarteten Todes des Kopiloten das jeweilige Luftfahrtunternehmen nicht von seiner Pflicht zu Ausgleichszahlungen befreien, da ein solcher Vorfall nicht als „außergewöhnlicher Umstand“ zu bewerten ist.

Diese Entscheidung des EuGH trägt zur Rechtssicherheit bei und stärkt damit die Rechte der Fluggäste gegenüber den Luftfahrtunternehmen.

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Dr. Nicole Lederer

Dr. Nicole Lederer
Rechtsanwältin
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