Insolvenz: der Anfang vom Ende?

Nach den Erhebungen des Statistischem Bundesamts haben im ersten Halbjahr 50.600 Betriebe geschlossen. Damit steigt die Anzahl der Insolvenzen deutlich. Dies macht rund zwölf Prozent mehr aus als im Vorjahr. Experten erkennen hierin bereits einen besorgniserregenden Trend. Es sprechen klare Anzeichen dafür, dass es schlecht um die wirtschaftliche Lage steht. Gerade Unternehmen des in guten Zeiten als Konjunkturmotor fungierenden Mittelstandes sind in die Schusslinie geraten.

Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Juli 2023 um 23,8 % gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Im Juni 2023 hatte sie bereits um 13,9 % gegenüber Juni 2022 zugenommen. Im Mai dieses Jahres haben die deutschen Amtsgerichte nach endgültigen Ergebnissen 1 478 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das bedeutet einen Anstieg um 19,0 % gegenüber Mai 2022. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nimmt bereits seit August 2022 kontinuierlich zu.

Zahlreiche deutsche Unternehmen sind im Begriff Pleite zu gehen. Die Rezession drängt immer mehr Firmen bis an den Rand des Abgrundes. Deutschlands Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 geschrumpft und hatte im Frühjahr nur stagniert. Viele Experten erwarten auch für das laufende Gesamtjahr einen Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt.

Es ist dabei zu konstatieren, dass in der Unternehmenswelt sich die möglichen Ursachen für eine Wirtschaftskrise gewandelt haben. Es fand ein Transfer zu exogenen Ursachen hin statt. Die pandemiebedingten Herausforderungen für die Gesamtwirtschaft und insbesondere besonders betroffener Branchen, unterbrochene bzw. stockenden Lieferketten, die Energiepreisexplosion sowie der sich mit rasch ansteigenden Kosten entwickelnde Rohstoffmarkt, die zunehmende Digitalisierung in allen Lebensbereichen und nicht zuletzt der seit Jahren zu beklagende Fachkräftemangel lassen die Unternehmenswelt in eine unsichere Zukunft blicken.

Nicht jede Insolvenz bedeutet das Ende des betroffenen Unternehmens. Die Einleitung eines Insolvenzverfahrens kann auch einen ersten Schritt zu einem Neuanfang bedeuten. Dabei sind an dieser Stelle nicht die (Groß-)Insolvenzverfahren gemeint, in denen nach Insolvenzantragstellung mit Hochdruck ein Käufer für das Unternehmen bzw. Unternehmensteile gesucht wird. Vielmehr können Unternehmenssanierungen dann gelingen, wenn sie rechtzeitig mit professioneller Hilfe geplant und umgesetzt werden.

Die sich der Unternehmenswelt bietenden rechtlichen Varianten bzw. Werkzeuge für die Rettung eines in wirtschaftliche Not befindlichen Unternehmens sind vielfältiger geworden. Bereits vor Jahren hatte der Gesetzgeber den Bedarf nach zeitlich früher einsetzenden und damit oft effektiver zu gestaltenden Unternehmenssanierungen erkannt und mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in 2012 einige Anpassungen insbesondere im Bereich des Zugangs zur eigenverwalteten Planinsolvenz verwirklicht. Das in weiten Teilen zum 01.01.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) umfasste die Umsetzung der EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz. Darüber hinaus wurden wichtige Anpassungen des Sanierungs- und Insolvenzrechts in den Bereichen ESUG und Digitalisierung von Insolvenzverfahren sowie dem Bereich der Vergütung vorgenommen.

Es ist trotz der oben genannten Rahmenumstände weitläufige Meinung, dass ein in eine Krise geratenes Unternehmen zu sanieren deutliche Vorteile gegenüber einer Zerschlagung im Rahmen der Regelabwicklung bietet. Vorteilhaft ist zum einen der Erhalt von Arbeitsplätzen und zum anderen die in der Regel sich ergebenden höheren Befriedigungsaussichten für die Gläubiger. Aber auch aus der Warte der Gesellschafter heraus betrachtet erscheint eine Eigensanierung des Rechtsträgers zweckmäßig. Soweit frühzeitig entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, bietet dies für die Gesellschafter überdies die Chance, die Anteilsrechte weiter in ihrem Wert zu bewahren, während sie für den Fall der Zerschlagung des Geschäftsbetriebes davon ausgehen müssen, dass ihre Anteile nichts mehr wert sind.

Eine angestrebte Eigensanierung lässt sich von der geübten Hand insbesondere im Wege einer eigenverwaltungsbasierten Insolvenzplanlösung bewerkstelligen. Hierbei ist es möglich, oktroyierende Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzplanes von der Mehrheitsauffassung überstimmen zu lassen. Dieses Verfahren kann bereits bei Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und demzufolge in einem noch frühen Stadium der Krise eingeleitet werden. Soweit dies zu Genüge mit den wesentlichen Gläubigern vorbereitet und abgestimmt ist, lassen sich Unternehmen und Rechtsträger mittels eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung erhalten und zudem beachtenswerte Befriedigungsmöglichkeiten für die Gläubiger schaffen. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist also nicht stets mit dem Verlust der Kontrolle für das Unternehmen oder dessen Zerschlagung gleichzusetzen.

Voraussetzung für ein Gelingen der Anstrengungen zur finanztechnischen Sanierung eines Unternehmens ist immer die rechtzeitige Weichenstellung im kriselnden Unternehmen. Insolvenzrechtliche Expertise kann eigentlich nie zu früh an Bord geholt werden.

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Robert M. Gillmann

Robert M. Gillmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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