Auswege aus der Krise: Jedes Unternehmen hat das Recht auf eine Zweite Chance

Für viele Unternehmer, die sich entweder am Anfang oder aber bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der finanziellen Krise befinden, stellt sich die Frage, wie sie ihr Unternehmen durch das derzeit vielerorts schwierige Fahrwasser geleiten können. Dabei sollte das Augenmerk – auch wenn es schwerfallen sollte – auf die Thematik Unternehmenssanierung in der Insolvenz (Stichwort: eigenverwaltungsbasierter Insolvenzplan) oder aber ggf. auch ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren (Stichwort: StaRUG) gerichtet werden. Die praktische Erfahrung zeigt immer wieder, dass Rettungsanstrengungen bei Unternehmenskrisen in aller Regel nur eine Erfolgschance haben, wenn rechtzeitig die zur Verfügung stehenden Sanierungsinstrumente betrachtet und ggf. ergriffen werden.

Seit einigen Jahren bereits bedeutet der Gang zum Insolvenzrichter nicht zwingend das Ende für das Unternehmen; vielmehr bietet das von der deutschen Insolvenzordnung zur Verfügung gestellte Instrumentarium zur Unternehmenssanierung infolge einiger Gesetzesänderungen in den letzten Jahren viel Raum und Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmer, die eine zweite Chance verdient haben.

Mit dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz, welches das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz und die Änderungen in der Insolvenzordnung beinhaltete, haben sich weitere erhebliche Verschiebungen im rechtlichen Bereich der Unternehmensinsolvenzen und Unternehmenssanierungen ergeben.

Damit geht einher, dass in der Unternehmenswelt sich die möglichen Ursachen für eine Wirtschaftskrise gewandelt haben. Es fand ein Transfer zu exogenen Ursachen hin statt. Die pandemiebedingten Herausforderungen für die Gesamtwirtschaft und insbesondere besonders betroffener Branchen, unterbrochene bzw. stockenden Lieferketten, die Energiepreisexplosion sowie der sich mit rasch ansteigenden Kosten entwickelnde Rohstoffmarkt, die zunehmende Digitalisierung in allen Lebensbereichen und nicht zuletzt der seit Jahren zu beklagende Fachkräftemangel lassen die Unternehmenswelt in eine unsichere Zukunft blicken. Gerade jedoch die im Rahmen jeder erfolgreichen und nachhaltigen Unternehmenssanierung anzustellende Zukunftsprognose gilt es trotz dieser widrigen Rahmenbedingungen stets zu meistern.

Wie bereits erwähnt sind die sich der Unternehmenswelt bietenden rechtlichen Varianten bzw. Werkzeuge für die Rettung eines in wirtschaftlicher Not befindlichen Unternehmens ebenfalls vielfältiger geworden. Bereits vor Jahren hatte der Gesetzgeber den Bedarf nach zeitlich früher einsetzenden und damit oft effektiver zu gestaltenden Unternehmenssanierungen erkannt und mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in 2012 einige Anpassungen insbesondere im Bereich des Zugangs zur eigenverwalteten Planinsolvenz verwirklicht.

Das in weiten Teilen zum 01.01.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) umfasste die Umsetzung der EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz. Darüber hinaus wurden wichtige Anpassungen des Sanierungs- und Insolvenzrechts in den Bereichen ESUG und Digitalisierung von Insolvenzverfahren sowie dem Bereich der Vergütung vorgenommen.

Es ist weitläufige Meinung, dass ein in eine Krise geratenes Unternehmen zu sanieren deutliche Vorteile gegenüber einer Zerschlagung im Rahmen der Regelabwicklung bietet. Vorteilhaft ist zum einen der Erhalt von Arbeitsplätzen und zum anderen die in der Regel sich ergebenden höheren Befriedigungsaussichten für die Gläubiger. Aber auch aus der Warte der Gesellschafter heraus betrachtet erscheint eine Eigensanierung des Rechtsträgers zweckmäßig. Soweit frühzeitig entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, bietet dies für die Gesellschafter überdies die Chance, die Anteilsrechte an einem wieder zu alter Stärke findenden Unternehmen noch weiter in ihrem Wert zu bewahren, während sie für den Fall der Zerschlagung im Rahmen einer Regelabwicklung regelmäßig mit leeren Händen dastehen.

Die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen ist also dem Grunde nach im Interesse aller Beteiligten sinnvoll. Die Praxis zeigt jedoch, dass außergerichtliche Sanierungsbemühungen häufig daran scheitern, dass einzelne Gläubiger eine Blockadehaltung einnehmen und ihre Zustimmung zu wirtschaftlich mit Vernunft gewählten Sanierungskonzepten verweigern, obwohl diese von der Mehrheit der Gläubigerschaft für zweckmäßig erachtet werden. Hintergrund hierfür ist, dass außerhalb eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens Gläubiger nicht zur Duldung von Eingriffen in ihre Rechtspositionen gezwungen werden können.

Die Alternative zu einer außergerichtlich durchgeführten Sanierung stellte in derartigen Konstellationen vor Einführung des StaRUG allein das Insolvenzverfahren und dabei insbesondere die eigenverwaltungsbasierte Insolvenzplanlösung dar, in der oktroyierende Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzplanes von der Mehrheitsauffassung überstimmt werden können. Dieses Verfahren kann bereits bei Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und demzufolge in einem noch frühen Stadium der Krise eingeleitet werden. Soweit dies zu Genüge mit den wesentlichen Gläubigern vorbereitet und abgestimmt ist, lassen sich Unternehmen und Rechtsträger mittels eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung erhalten und zudem beachtenswerte Befriedigungsmöglichkeiten für die Gläubiger schaffen. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist also nicht stets mit dem Verlust der Kontrolle für das Unternehmen oder dessen Zerschlagung gleichzusetzen.

Mithin kam durch die Insolvenzrechtsreform wieder einmal erheblich Bewegung in die Sanierungsbranche.

Daher besteht die Notwendigkeit, für den einzelnen Anwendungsfall und dabei für das konkret in den Blick zu nehmende Unternehmen das geeignete Sanierungsinstrument auszuwählen.

Sämtliche Experten gehen davon aus, dass sich der Trend zur Eigenverwaltung und auch einer Inanspruchnahme des vorinsolvenzlichen StaRUG-Verfahrens in den nächsten Jahren noch verstärken wird. Insbesondere das Eigenverwaltungsverfahren setzt sich als Sanierungsverfahren immer mehr durch, wobei von Gläubigerseite die Erwartungshaltung auch eine echte operative Sanierung und nicht nur eine Bereinigung der Passivseite umfasst.

Schließlich darf angemerkt werden, dass vom EU-Gesetzgeber erneut eine Harmonisierungsrichtlinie unmittelbar in der pipeline steckt. Diesmal geht es um für notwendig erachtete Angleichungen der europäischen nationalen Gesetzesregime im Bereich des materiellen Insolvenzrechts. Neben einheitlichen Vorgaben zum Insolvenzanfechtungsrecht ist dabei insbesondere ein so genanntes pre-pack-Verfahren im Zusammenhang mit Distressed M&A s sowie ein insolvenzrechtliches (gar verwalterloses) Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen zum Thema geworden.

Dr. jur. Erik Silcher

Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Telefon +49 7131 91903-15

erik.silcher@silcher.com