Insolvenzanfechtung: Was man wissen sollte

Das Insolvenzanfechtungsrecht ist ein aussichtsreiches Rechtsinstrument, welches einem Insolvenzverwalter zur Verfügung steht, rechtlich unzulässige Vermögensverschiebungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückabzuwickeln und auf diese Weise für eine beträchtliche Vermögensmehrung zu Gunsten der Insolvenzmasse zu sorgen. Das schärfste „Schwert“ des Insolvenzanfechtungsrechts ermöglicht es in den weitreichendsten Fällen auch, Rechtshandlungen bis zu 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag rückgängig zu machen, sofern diese Rechtshandlungen mit dem Vorsatz, Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen worden sind und der andere Teil (Anfechtungsgegner) zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Da es sich bei dem besagten Vorsatz des Schuldners um einen inneren Tatbestand handelt, hat das Gericht hierbei nach dem Vortrag beider Parteien (Insolvenzverwalter auf der einen und Anfechtungsgegner auf der anderen Seite) die Umstände des Einzelfalls umfassend rechtlich zu würdigen. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten beider Parteien wird dabei in einem Zusammenspiel von verschiedensten Vermutungsregeln bestimmt. Eine Vermutungsregel gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO besagt, dass die Kenntnis über den Vorsatz des Schuldners, einen Gläubiger zu benachteiligen, vermutet wird, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlungen die Gläubiger benachteiligte.

In einem aktuelleren Fall nahm das Landgericht Heilbronn (Urteil vom 06.07.2022, Az. Hi 10 O 68/21 – noch nicht rechtskräftig) zusammengefasst an, dass die besagte Vermutung nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO spiegelbildlich für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gilt, sofern der Schuldner Zahlungen an den vom Anfechtungsgegner beauftragten Gerichtsvollzieher leistet. Und da für den Anfechtungsgegner die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, könnten für den Schuldner selbst keine strengeren Anforderungen gelten. So wird einem Schuldner auch klar sein, dass er in Kürze nicht mehr alle seine Gläubiger befriedigen können wird, wenn er von seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit Kenntnis hatte. Befriedigt der Schuldner hiervon unbeeindruckt gleichwohl einzelne Gläubigerforderungen, muss sich ihm nahezu zwangsläufig die Erkenntnis aufdrängen, dass infolge dieser Handlung eben die anderen Gläubiger benachteiligt werden. Daher erachtete das Gericht die Klage einer Insolvenzverwalterin als begründet an, so dass die Zahlungen, welche der Schuldner aufgrund der gegen ihn betriebenen Zwangsvollstreckung über den Gerichtsvollzieher an den Anfechtungsgegners leistete, wieder zurückzuerstatten sind.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig und wird aktuell im Berufungsverfahren beim OLG Stuttgart unter dem Az. 3 U 137/22 geführt. Es zeigt allerdings schon deutlich auf, dass auch weit in die Vergangenheit reichende Sachverhalte von bis zu 10 Jahren durchaus einem betroffenen Anfechtungsgegner „auf die Füße fallen“ könnte.

Sofern Sie in einem ähnlichen Fall von einem Insolvenzverwalter im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen werden oder sonstige insolvenzrechtliche Fragestellungen haben, stehen wir Ihnen auf Wunsch gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Dr. jur. Erik Silcher

Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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