Das StaRUG als Chance für den (unternehmerischen) Neustart des Freiberuflers?

Hinter der Abkürzung „StaRUG“ steckt das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen vom 22. Dezember 2020. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten und setzt die Europäische Restrukturierungs-Richtlinie in deutsches Recht um. Im deutschen Sanierungsrecht fehlten bislang spezielle Regelungen für die Durchsetzung und Umsetzung von Sanierungen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens. Der deutsche Gesetzgeber hat der Richtlinie den dahingehenden Auftrag entnommen, die Lücke zu schließen, die das Gericht zwischen dem Bereich der freien, auf dem Konsens aller Beteiligten beruhenden Sanierung einerseits und der streng verfahrensgebundenen Sanierung im Insolvenzrecht gelassen.

Die Richtlinie machte es zum Erfordernis, dass durch den deutschen Gesetzgeber verfahrensrechtliche Instrumentarien für sanierungswillige Unternehmensträger eingeführt werden, und zwar auch in den Konstellationen, in denen von Teilen der Gläubiger dem Sanierungskonzept mit Widerstand begegnet wird. Das StaRUG gibt Unternehmen in der Krise verschiedene Instrumente zur Unterstützung der Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens in die Hand. Ziel ist die Durchsetzung und Umsetzung eines Sanierungskonzepts des Schuldners und damit letztlich die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens.

Der das „Herzstück“ der Restrukturierung bildende Restrukturierungsplan kann ganz unterschiedliche Rechtsverhältnisse gestalten, vor allem Eingriffe in die Verbindlichkeiten des Schuldners und etwaige für diese bestellten Sicherheiten zum Zwecke der Entschuldung des Unternehmens. Die Forderungen der Gläubiger können z.B. gekürzt, gestundet oder mit einem Nachrang versehen werden. Die planbetroffenen Gläubiger stimmen über den Restrukturierungsplan ab. Dafür werden sie nach sachgerechten Kriterien in Gruppen eingeteilt. Für die gerichtliche Bestätigung des Plans müssen in jeder Gläubigergruppe wenigstens 75% der Gläubiger ihre Zustimmung erteilt haben. Die Minderheit ist dann überstimmt und bei gerichtlicher Bestätigung des Restrukturierungsplans trotz Ablehnung an ihn gebunden (sog. Cram-down).

Für den Fall, dass die Zustimmung einer Gläubigergruppe nicht gelingt, weil mehr als 25% der Betroffenen den Plan ablehnen, kann der Restrukturierungsplan dennoch vom Restrukturierungsgericht bestätigt werden, wenn die Voraussetzungen der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung nach dem StaRUG vorliegen (sog. Cross-class Cram-down). Das setzt insbesondere voraus, dass die Sanierung auf dem vorgeschlagenen Weg die bestmögliche Gläubigerbefriedigung verspricht und von  Gesellschafterseite ebenfalls ein Beitrag geleistet wird.

Allen Unternehmen sämtlicher Branchen stehen die neuen Sanierungsinstrumente nach dem StaRUG offen (mit Ausnahme von Banken und Versicherungen). Sogar natürliche Personen, die unternehmerisch tätig sind, können sich mithilfe des StaRUG sanieren und so einer drohenden Privatinsolvenz entgehen.

Voraussetzung ist, dass das Unternehmen noch nicht akut zahlungsunfähig oder überschuldet ist (also nicht gezwungen ist, einen Insolvenzantrags zu stellen). Allerdings muss eine Zahlungsunfähigkeit drohen.

Die Gründe, aus denen heraus das StaRUG-Verfahren in der Praxis noch nicht auf breiter Fläche Anwendung gefunden hat, sind mannigfaltig. Bei dem StaRUG handelt es sich um ein sehr komplexes rechtliches Instrumentarium. Der Zugang ist für viele kleine und mittelständische Betriebe gar nicht erst eröffnet. Diese Betriebe verfügen in der Regel nicht über die erforderliche rechtliche und betriebswirtschaftliche Beratungsexpertise für die Vorbereitung und Durchführung eines StaRUG-Verfahrens. Für diese liegt auch weiterhin der Rückgriff auf die umfangreicheren Regelungen und Möglichkeiten eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung nahe. Insbesondere in den Fallkonstellationen, in denen die finanztechnische Sanierung von einer umfassenden operativen Restrukturierung des Geschäftsbetriebes begleitet werden muss, bietet sich allein eine eigenverwaltete Planinsolvenz an.

Allerdings bieten die Instrumentarien des StaRUG gerade für Freiberufler eine erwägenswerte Sanierungsoption.

Der Freiberufler kann an den allgemeinen Vorteilen eines StaRUG-Verfahrens teilhaben.  Dies gilt etwa im Hinblick darauf, dass eine „stille“ Sanierung stattfinden kann, bei der er die Wahl hat, welche Gläubiger vom Restrukturierungsplan betroffen sein sollen, so dass im Idealfall er den Kreis derjenigen, die von dem StaRUG-Verfahren Kenntnis erlangt, selbst steuern kann. Auch der Makel „Insolvenz“ und ein damit einhergehende Image- und Vertrauensverlust bei Kunden, Mandanten oder Patienten, Lieferanten etc. ist nicht zu befürchten.

Vorteilhaft ist insbesondere, dass das Risiko des Widerrufs einer Berufszulassung deutlich geringer zu bewerten ist als im Insolvenzfall. Während die Insolvenzeröffnung nach den überwiegenden Berufs- und Standesordnungen den zuständigen Kammern erlaubt, die Berufszulassung wegen eines vermuteten Vermögensverfalls bzw. Eintritts nicht geordneter Vermögensverluste zu widerrufen (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG, § 20 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 7 WPO), ist noch nicht geklärt, inwiefern ein solcher Widerruf auch im Falle einer Restrukturierung nach dem StaRUG droht. In Anbetracht der Dauer eines Widerrufsverfahrens ist es im besten Falle vorher noch nicht zu einem Verlust der Zulassung gekommen. Aber selbst wenn eine Entscheidung über die Zulassung noch in Streit steht, dürften an die Widerlegung eines vermuteten Vermögensverfalls bzw. bei Eintritt nicht geordneter Vermögensverhältnisse im Hinblick auf die grundrechtlich verankerte  Berufsfreiheit nicht unnötig überspannte Anforderungen gestellt werden. Damit wird der Berufsgruppe der Freiberufler nicht nur ein wesentlich schnellerer Zugang zur Schuldbefreiung und zur vollen Entschuldung im Rahmen der Insolvenz verschafft, sondern es werden auch die Chancen des Erhalts bzw. der schnelleren Wiedererlangung der Berufszulassung verbessert. Dabei ist auch das zum 01.10.2020 rückwirkend in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens zu berücksichtigen, welches für alle natürlichen Person, d.h. sowohl für Unternehmer also für Verbraucher, die Restschuldbefreiungsphase auf drei Jahre verkürzt. Zudem tritt mit § 301 Abs. 4 InsO ein insolvenzbedingtes Tätigkeitsverbot mit Rechtskraft der Restschuldbefreiung automatisch außer Kraft. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Norm auch Anwendung finden, wenn das Verbot mittelbar auf der Insolvenz beruht, wie z.B. bei vermuteten Vermögensverfall oder ungeordneten Vermögensverhältnis von Freiberuflern (Rechtsanwälten, Steuerberatern etc.).

Nachteilhaft kann es demgegenüber sein, dass wichtige Sanierungsinstrumente der Insolvenzordnung mit dem StaRUG nicht zur Verfügung stehen. Zielt ein Restrukturierungsverfahren auf den Abbau von Beschäftigungsverhältnissen oder den Abbau von Versorgungsverträgen, die Reduzierung von Pensionsverpflichtungen, die Verkleinerung von Mietflächen oder die selektive Beendigung unrentabler Verträge im laufenden Geschäftsbetrieb ab, wird der präventive Restrukturierungsrahmen nicht dienlich sein. Eine Restrukturierung nach dem StaRUG löst kein Insolvenzereignis aus, so dass ebenfalls kein Anspruch auf Insolvenzausfallgeld entsteht. Weiterhin ist zu beachten, dass Verbindlichkeiten des Freiberuflers selten ausschließlich im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit stehen. Eine Regulierung von privaten Verbindlichkeiten soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens grundsätzlich nicht möglich sein, d.h. sie dürfen im Restrukturierungsplan nicht mit einbezogen werden, was Abgrenzungsprobleme aufwerfen kann. Hat der Schuldner beispielsweise zum Erwerb seines privat genutzten Hausgrundstücks einen Kredit aufgenommen und kommt er mit der Rückzahlung in Verzug, kann der Darlehensanspruch nicht im Plan einbezogen werden. Droht durch Vollstreckungsmaßnahmen der Bank in das Betriebsvermögen insoweit ein Zusammenbruch des Geschäftsbetriebes, bleibt dem Schuldner nur der Gang zum Insolvenzgericht. Einer Gestaltung im Plan zugänglich sind dagegen die von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Steuerverbindlichkeiten gemäß § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO. Abweichend von § 302 Nr. 1 InsO sind Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 372 oder 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist, einer Gestaltung durch Regelungen eines Restrukturierungsplan zugänglich.

Gegen die Erwartung, Freiberufler würden sich zukünftig mit dem StaRUG-Verfahren auf einfache Art und Weise sanieren, wird zutreffend eingewandt, dass das Verfahren ein sehr komplexes und unter anderem für Freiberufler kaum finanzierbares Sanierungsinstrument ist. Jedenfalls ist vorhersehbar, dass die überwiegende Anzahl der in die Krise geratenen Freiberufler bei der Nutzung der StaRUG-Sanierungsinstrumente externe fachliche Beratung benötigen wird, um sich (unternehmerisch) neu aufzustellen. Sofern sich ein echter wirtschaftlicher Neubeginn für den Freiberufler nur durch eine volle Entschuldung – auch von rein privaten Verbindlichkeiten – erreichen lässt, wird ihm der Instrumentenkasten des StaRUG wenig dienlich sein. Dann ist er weiterhin auf eine außergerichtliche konsensuale Einigung mit sämtlichen Gläubigern oder auf das Insolvenzplanverfahren angewiesen.

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Robert M. Gillmann

Robert M. Gillmann
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