Checkliste für Restrukturierungspläne nach dem StaRUG

Mit dem am 01. Januar 2021 in Kraft getretenen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) wurde ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, um Unternehmen im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch ohne Insolvenzverfahren mit gerichtlicher Unterstützung stabilisieren und restrukturieren zu können.
Das StaRUG verpflichtet das Bundesministerium der Justiz (BMJ) zur Veröffentlichung einer Checkliste für Restrukturierungspläne (§ 16 StaRUG).
Das BMJ hatte mit Schreiben vom 28. 1. 2022 – RA6 – 3760/20-3-R3 21/2022 – den Entwurf einer Checkliste für Restrukturierungspläne an die beteiligten Kreise mit der Gelegenheit zur Stellungnahme versandt.
Die zu dem damaligen Entwurf eingegangenen Stellungnahmen (u.a. des IDW) fielen durchweg positiv aus, indem darin die Checkliste als eine sinnvolle Hilfestellung anerkennt und deren Charakter als Orientierungshilfe und nicht etwa als verbindlicher Anforderungskatalog hervorgehoben wurde.

Nun ist die Checkliste mit Stand 17. Juli 2022 auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht worden. Diese Checkliste für Restrukturierungspläne ist dabei an die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen angepasst worden. Sie stellt mehr als ein schlichtes Aufzählen der gesetzlichen Vorgaben dar; allerdings kann auch nicht der Idealfall angenommen werden, nach welchem die Checkliste für jeden erdenklichen Fall aus der Praxis die allumfassende Bearbeitungsanleitung bereithält. Es wird daher immer und stets erforderlich werden, dass das betreffende Unternehmen fachkundige Berater mit an Bord nimmt bei seinem Restrukturierungsvorhaben.

Zum näheren Hintergrund ist Folgendes auszuführen:

Im bis zum 31.12.2020 geltenden deutschen Insolvenz- und Sanierungsrecht sind die von der EU-Richtlinie vorgegebenen verfahrensrechtlichen Grundlagen für die Durch- sowie Umsetzung von Sanierungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens noch nicht rechtlich kodifiziert gewesen.

Es lag somit auf der Hand, dass Sanierungen im Rahmen einer bereits lange bestehenden rechtlichen Praxis oftmals auf der Grundlage außergerichtlicher Einigungsverhandlungen zu bewerkstelligen waren. Sanierungsvorhaben scheitern aber immer wieder am Widerstand einzelner beteiligter Gläubiger, wenn diese auf dem Standpunkt stehen, dass ihre Rechte einschränkungslos und ohne Rücksicht auf die mit dem vorgelegten Sanierungskonzept berechtigterweise und sinnvollerweise verfolgten Lösungen in den Vordergrund zu rücken sind. In der Vergangenheit kam es daher häufig dazu, dass durch das mitunter starrsinnige Verhalten einzelner Beteiligter dem Sanierungsvorhaben der Garaus gemacht wurde, da auch weitere Beteiligte unter der Prämisse eines „Störers“ ihre Bereitschaft zur Unterstützung des Vorhabens aufkündigten. Damit war es an der Tagesordnung, dass Sanierungskonzepte, die allen Beteiligten Vorteile versprachen, kläglich scheiterten.

In solchen Fällen bestand somit selbstverständlich die Möglichkeit, die Sanierungsidee in einem eigenverwaltungsbasierten Insolvenzplanverfahren zur Umsetzung gelangen zu lassen. Dieser Weg geht aber nicht selten mit (Kosten-)Nachteilen einher. Insbesondere ist zu konstatieren, dass das ganze Unternehmen bzw. die im Unternehmen bestehenden Werte dem Insolvenzbeschlag unterfallen und darüber hinaus nicht unerhebliche Verfahrenskosten anfallen. Mittelbare Kosten entstehen durch die negative Publizität, da auch ein Eigenverwaltungsverfahren nichts anderes als eine Unterart eines Insolvenzverfahrens ist, und der Makel der Insolvenz auch durch den mit der ESUG-Reform gestärktem Sanierungsgedanken noch immer nicht vom Tisch ist.

Der Gesetzgeber erachtete es daher in Übereinstimmung mit den EU-Vorgaben für erforderlich, einen Rechtsrahmen zu schaffen, dessen Beteiligten eines Sanierungsvorhabens es ermöglicht, das Vorhaben auch gegen den Widerstand einzelner Beteiligter umzusetzen.

Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, den präventiven Restrukturierungsrahmen und das in diesem Zusammenhang zu schaffende Instrumentarium zur vorgerichtlichen Sanierung nicht im Insolvenzverfahrensrecht zur verorten. Er begründet dies damit, dass es sich beim präventiven Rahmen – anders als beim Insolvenzverfahren- nicht um ein Gesamtverfahren handelt, in das sämtliche Gläubiger einbezogen sind. Zum einen sind Ansprüche aus Pensionszusagen von den Folgen des präventiven Rahmens abzuschirmen (vgl. Art. 1 Abs. 6). Und zum anderen können nach Wahl des nationalen Gesetzgebers weitere Forderungsarten ausgenommen werden (vergleiche Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie). Auch stünde es in Einklang mit der vorinsolvenzlichen Anknüpfung an eine lediglich wahrscheinliche Insolvenz, wenn der präventive Rahmen außerhalb der Insolvenzordnung in einer eigenen Kodifikation geregelt wird.

Der deutsche Gesetzgeber entnimmt der Richtlinie den dahingehenden Auftrag, die Lücke zu schließen, die das Gericht zwischen dem Bereich der freien, auf dem Konsens aller Beteiligten beruhenden Sanierung einerseits und der streng verfahrensgebundenen Sanierung im Insolvenzrecht gelassen hat. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, hat sich der nationale Gesetzgeber entschieden, sich einerseits an den Wertungen des geltenden bzw. fort zu entwickelnden Insolvenz- und Sanierungsrechts zu orientieren. Dies gilt namentlich für die materiellen Voraussetzungen, die für die Verfahrenshilfe wie insbesondere die Planbestätigung und die Vollstreckungssperren erfüllt sein müssen. Andererseits räumt der Restrukturierungsrahmen den Beteiligenden im Vergleich zum Insolvenzverfahren weitergehende Spielräume für die privatautonome Organisation des Planerstellung-, Aushandlungs -und Abstimmungsprozesses ein.

Als Fazit ist Folgendes anzumerken:

Der präventive Restrukturierungsrahmen wird die Umsetzung von Unternehmenssanierungen in Deutschland maßgeblich verändern.

Unternehmen erhalten in Fällen des Eintritts einer wirtschaftlichen Schieflage erstmals einen gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich ohne eine Insolvenz grundlegend finanztechnisch sanieren können.

Das ausgegebene Ziel ist es, die Handhabung von Restrukturierungen zu vereinfachen.

Hiermit ergänzt der präventive Restrukturierungsrahmen die bereits bestehenden Sanierungsinstrumente wie Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren und trägt maßgeblich bei zu einer neuen Sanierungskultur hierzulande.

Mit der Einführung des präventiven Restrukturierungsrahmens sind die Weichen gestellt, damit sich dies ändern kann. Unternehmen können mithilfe des implementierten Frühwarnsystems rechtzeitig auf Fehlentwicklungen und Krisensignale aufmerksam gemacht werden und diese effektiv mithilfe den neu geschaffenen Sanierungsinstrumenten bewältigen. Entscheidender Vorteil ist es dabei, dass der präventive Restrukturierungsrahmen es als gesetzlich festgelegtes Restrukturierungsverfahren ermöglicht, sich außerhalb einer Insolvenz zu sanieren.

Die Geschäftsführung bleibt – wie im Falle einer Eigenverwaltung – am Ruder und steuert die Sanierung in Eigenverantwortung.

Im Verlauf des präventiven Restrukturierungsverfahrens ist es Aufgabe des Unternehmens, einen Restrukturierungsplan zu erstellen. Dieser ist die gesetzlich vorgegebene Grundlage der operativen und finanziellen Restrukturierung. Neben Angaben zu den finanziell notwendigen Maßnahmen enthält er auch alle erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen. Den Gläubigern wird dieser Plan zur Abstimmung vorgelegt. Im Rahmen der Abstimmung über den Plan kommt ein weiterer Vorteil ins Spiel: Anders als bei der außergerichtlichen Sanierung ist eine Mehrheit von 75 Prozent ausreichend – es muss keine Einstimmigkeit erzielt werden.

Es wird die Möglichkeit geschaffen, dass auch in schwierigen Situationen, wenn z.B. eine Einigung mit den Gläubigern nur schwer erreichbar ist, eine Zustimmung der Gläubiger zu „erzwingen“. Allein diese Möglichkeit wird sich positiv auf die Verhandlungen auswirken.

Unternehmer, die sich rechtzeitig unter den Schutz des präventiven Restrukturierungsrahmens begeben, haben sehr gute Aussichten, die Restrukturierung ihres Unternehmens eigenverantwortlich und mit Erfolg anzugehen.

Das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG dürfte sich mithin in Abgrenzung zu dem eigenverwaltungsbasierten Insolvenzplanmodell speziell für Fallkonstellationen einer frühzeitig aufs Gleis gesetzten finanziellen Restrukturierung eignen. Der Schuldner behält dabei die Kontrolle über das operative Geschäft und über das Verfahren. Das schuldnerische Unternehmen gerät in seinem operativen Wirken nicht ins Stocken, da es mit dem Instrumentenkasten des StaRUG etwa Kunden und Lieferanten von den Maßnahmen ausklammert und die Restrukturierung auf Finanzgläubiger/Kreditgeber konzentriert. Die Gestaltungsoptionen für die Betriebsfortführung sind vielfaltig, da bei der Auswahl der Planbetroffenen und der Gestaltung des Restrukturierungsplans dem Schuldner maximale Flexibilität offeriert wird. Auch wird aufgrund der gezielten Eingriffe in einzelne Vertragsverhältnisse bzw. Geschäftsverbindungen mehr oder weniger geräuschlos eine Sanierung durchgeführt, um als wiedererstarkter und insbesondere solventer Geschäftspartner aus dem Verfahren hervorzugehen.
Das Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung hingegen ist dann als vorzugswürdiger Weg zu betrachten, wenn neben der finanziellen Restrukturierung auch eine betriebswirtschaftliche Neuausrichtung des Geschäftsbetriebs zum Ziel ausgerufen wurde. Als Vorteile gegenüber dem StaRUG sind hierbei insbesondere die weitreichenden und zeitlich unbefristeten Schutzmechanismen zu nennen. Für die Zielsetzung einer weitgefassten Restrukturierung finanzieller Verbindlichkeiten bietet allein das gerichtliche Sanierungsverfahren die richtigen Werkzeuge. Die Insolvenzgeldvorfinanzierung verschafft dem Schuldner in der Phase der Planvorbereitung einen Liquiditätspuffer und sorgt damit für eine wichtige finanzielle Entspannung. Gleichzeitig können mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungünstige Verträge etwa aus dem Bereich Kfz-Leasing oder Maschinen-Mieten beendet werden.
Für den Geschäftsleiter des Schuldnerunternehmens wird sich vor die Aufgabe gestellt sehen, die Herausforderungen der eigenen Situation im Detail genau zu analysieren, um dasjenige Verfahren auszuwählen, welche für sein Unternehmen die passenden und daher erfolgversprechenden Instrumente im Sinne einer bestmöglichen Krisenbewältigung bereithält. Die Fortführungschance erhöht sich für den Schuldner und auch die Gläubiger profitieren.

Es ist jedoch Folgendes zu beachten:

Unternehmen in einer Krisensituation ist dringend anzuraten, sich einen erfahrenen Sanierungsberater an die Seite zu holen, um den Weg durch das präventiven Restrukturierungsverfahren schadlos zu überstehen. Der Sanierungsberater gibt insbesondere Hilfeleistungen bei komplexen, rechtlich durchdrungen Sachverhalten und bei den anstehenden Verhandlungen mit den Gläubigern. Er muss sowohl das Vertrauen des Unternehmens als auch das der Mehrheit der Betroffenen Gläubiger gewinnen.

Ihr Ansprechpartner

Robert M. Gillmann

Robert M. Gillmann
Rechtsanwalt
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