Interessante Urteile aus dem Medizinrecht

Im Bereich des Medizinrechts ergingen in den vergangenen Monaten einige interessante Urteile, von denen wir Ihnen berichten möchten:

Abrechnungsbetrug und Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299 b StGB)

Ein Arzt betrieb ein pathologisches Institut und baute sich ein Kooperationsnetzwerk mit niedergelassenen Ärzten auf. Er versprach, diesen als Anreiz für die Zusammenarbeit eine finanzielle Vergütung als Gegenleistung für die Übersendung entsprechender Proben. Hierdurch verschaffte sich der Angeklagte gegenüber anderen, redlich handelnden Pathologen, einen Wettbewerbsvorteil.

Insgesamt erlangte der angeklagte Arzt auf diese Weise unberechtigte Einnahmen in Höhe von fast 2 Millionen Euro. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 9 Monaten, seine Ehefrau zu 1 Jahr 6 Monaten verurteilt.

Im Strafrecht gelte die streng formale Betrachtungsweise des Sozialversicherungsrechts, sodass das Gericht, wonach eine Leistung auch dann nicht abrechnungsfähig ist, wenn es an der Erfüllung formaler Voraussetzungen fehlt, die Leistung jedoch im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden ist.

Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 29.06.2000 – 2 KLs 5/20

Zum Begriff des Wohlverhaltens bei vertragsärztlicher Zulassungsentziehung:

Eine Prüfung des Wohlverhaltens findet nach neuerer Rechtsprechung im Verfahren über die Zulassungsentziehung nicht mehr statt. Nach der Entscheidung des Berufungsausschusses können die Umstände – wie eine Verhaltensänderung – nur in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden.

Erschöpft sich das „Wohlverhalten“ eines Arztes lediglich darin, dass keine weiteren Pflichtverstöße stattfinden, genügt dies lediglich den allgemeinen Anforderungen. Ein „Wohlverhalten“ setzt aber mehr voraus, als lediglich keine weiteren Pflichtverstöße zu begehen. Der Vertragsarzt muss aktiv an der Aufklärung der Verfehlungen, der Schadensbegrenzung und Schadensregulierung mitwirken.

Überlässt es der Vertragsarzt den Zulassungs- und Prüfgremien sowie der kassenärztlichen Vereinigung, einen Schaden allein im Rahmen deren Amtsermittlungspflicht festzustellen, so fehlt es einem „Wohlverhalten“.

Soweit ein Arzt in die Lage gerät, sich auch im Hinblick auf laufende Strafverfahren selbst zu beschuldigen, steht es im frei zu entscheiden, in welchem Umfang er mitwirkt. Die Zulassungsgremien und Gerichte können aber sein Mitwirken unabhängig davon frei bewerten.

Sozialgericht Marburg, Gerichtsbescheid vom 06.04.2021 – S 12 KA 116/19

Eigenblutentnahme durch Heilpraktiker zu Recht untersagt

Die Bezirksregierung Münster hat Heilpraktikern zu Recht untersagt, ihren Patienten Blut zur Herstellung von Eigenblut zu entnehmen. Die Entnahme einer Blutspende darf nach dem Transfusionsgesetz nur durch einen Arzt oder unter Verantwortung eines Arztes erfolgen. Der gesetzliche Begriff der Blutspende erfasst neben der Entnahme von Fremdblut auf die Eigenblutentnahme. Der Sinn und Zweck des Gesetzes, für eine sichere Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen zu sorgen, greift auch bei Eigenblutspenden, und zwar unabhängig davon, ob nur eine geringe Menge entnommen wird.

Geklagt hatten Homöopathen, die im Rahmen einer Eigenbluttherapie Patienten eine geringe Menge Blut entnehmen und es ihnen nach Zusatz eines Sauerstoff-Ozon-Gemisches oder nach der Mischung mit homöopathischen Fertigarzneimitteln zurückinjizierten. Die Berufung auf die Ausnahmeregelung für homöopathische Eigenblutprodukte blieb den Heilpraktikern verwehrt.

Oberwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 – 9 A 4073/18, 9 A 4108/18, 9 A 4109/18

Verstoß gegen Wahlarztvereinbarung: € 7.000,00 Schmerzensgeld

Ein Chefarzt sollte bei dem Patienten eines Universitätsklinikums eine Leberoperation durchführen. Der Patient unterzeichnete den Vertrag über die wahlärztliche Leistung direkt am Operationstag. Trotz zusätzlicher Vertretungsvereinbarung führte ein dritter Oberarzt die Operation durch.

Im Haftungsverfahren entschied das Landgericht, die Operation sei mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig gewesen.

Eine Einwilligung in eine Operation, bei welcher der Patient erkennbar Wert auf die Durchführung, gerade durch einen bestimmten Arzt legt, könne nicht in die allgemeine Einwilligung zur Operation durch andere Ärzte umgedeutet werden.

Vor dem Hintergrund, dass der Patient unter Vollnarkose hätte operiert werden müssen, postoperativ Schmerzen auftraten und eine große Narbe entstand, hielt die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von € 7.000,00 für angemessen.

Landgericht Essen, Urteil vom 06.11.2020 – 16 O 229/19

Brustkrebsnachsorge: Kosten für MRT nach Wunsch nicht erstattungsfähig

Nach einer Brustkrebsoperation war bei einer Patientin eine konsequente Nachsorge erforderlich, um die Gefahr einer erneuten Krebserkrankung auszuschließen. Bei ihrer Krankenkasse beantragte die Frau die Kostenübernahme für eine jährliche MRT-Untersuchung. Sie teilte hierzu mit, dass andere Methoden für sie nicht in Betracht kämen. Ultraschall allein sei nicht sicher genug und eine Mammographie sei ihr nicht zumutbar, das sie durch die Kompression der Brust unerträgliche Schmerzen bis hin zur Ohnmacht erleide. Nach der Ablehnung ihres Antrags begehrte sie im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Vorab-Genehmigung der Kostenübernahme – ohne Erfolg.

Wie das LSG Celle-Bremen entschied, muss die GKV ohne ärztliche Indikation nicht für regelmäßige MRT-Untersuchungen zur Brustkrebsnachsorge aufkommen, Nach den Empfehlungen und Richtlinien des GBA komme eine MRT-Untersuchung nur bei Verdacht auf eine Rückkehr des Krebses in Betracht, sofern andere Untersuchungen nicht ausreichend sind. Im Fall der betroffenen Frau besteht die Regelversorgung – mangels anderslautender fachärztlicher Indikationsstellung – in klinischen Tastuntersuchungen und Ultraschallkontrollen.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.03.2021 – L 4 KR 68/21 B ER

Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Ihr Ansprechpartner

Hans Steffan
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Strafrecht

Telefon +49 711 230334-701

hans.steffan@silcher.com