Annahmeverzugslohn bei (unterlassenem) anderweitigem Verdienst

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 24.01.2024 (5 AZR 331/22) entschieden, dass ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienst während der Dauer eines Kündigungsschutzprozesses auch vorliegen kann, wenn sich der Arbeitnehmer vorsätzlich mit einem – gemessen an der üblichen Vergütung für die ausgeübte Tätigkeit – zu geringen Entgelt zufrieden gibt oder unentgeltlich eine Leistung erbringt, die regelmäßig nur gegen eine Vergütung erbracht wird.

In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien über eine Vergütung wegen Annahmeverzug für den Zeitraum Mai bis September 2014. Die Klägerin war ehemals als leitende Angestellte und später als Geschäftsführerin bei der Beklagten tätig. Im Februar 2014 sprach die Beklagte mehrere Kündigungen des Arbeitsverhältnisses aus, welche allesamt von den Gerichten für unwirksam erklärt wurden. Aus diesem Grund forderte die Klägerin die Beklagte dazu auf, für den vorbenannten Zeitraum das noch ausstehende Gehalt, den sogenannten Annahmeverzugslohn, zu zahlen.

Während der Dauer der Kündigungsschutzverfahren begann die Klägerin eine neue Tätigkeit als Geschäftsführerin einer anderen Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter eventuell der Lebensgefährte der Klägerin war. Für die neue Beschäftigung der Klägerin wurde lediglich die Zusage einer Gewinnbeteiligung erteilt, ein Entgelt wurde jedoch nicht vereinbart. Da ihr neuer Dienstherr jedoch bis September 2015 lediglich Verluste zu verzeichnen hatte, bekam die Klägerin somit für den streitgegenständlichen Zeitraum weder ein Gehalt, noch eine Ausschüttung aufgrund ihrer neuen Tätigkeit. Aus ihrer Sicht müsse sie sich somit nichts auf den ihr zustehenden Annahmeverzugslohn anrechnen lassen.

Dies sah das Bundesarbeitsgericht jedoch anders. Zwar befand sich die Beklagte zu dem Zeitpunkt im Annahmeverzug, wodurch die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung hatte. Allerdings war unter Berücksichtigung von § 11 KSchG als Spezialregelung zu § 615 S. 2 BGB der Zwischenverdienst anzurechnen, und zwar auch der, den die Klägerin an ihrer neuen Stelle hätte verdienen können. Anzurechnen ist nämlich auch der Verdienst, den der Arbeitnehmer hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Eine solche Böswilligkeit nimmt das Bundesarbeitsgericht dabei auch an, wenn der Arbeitnehmer sich vorsätzlich mit einer zu geringen Vergütung zufrieden gibt, da hierdurch die Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber verletzt wird. Maßgeblich für die Anrechnung auf den Annahmeverzugslohn ist dabei nicht der Zeitpunkt des Zuflusses des Ertrags, sondern der kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglichte Wert des Erwerbs. Sofern Zweifel hierüber bestehen, ist dieser Wert von dem Gericht zu schätzen.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt deutlich auf, dass bei der Bewertung des Annahmeverzugslohns über den Tellerrand geschaut werden muss, da auch fiktiver Verdienst nicht außer Acht gelassen werden darf. Sollten Sie in diesem Zusammenhang Fragen haben oder rechtliche Beratung benötigen, steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit zur Verfügung.

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