Anfechtbarkeit der Herstellung einer Aufrechnungslage in der Krise

In seiner Entscheidung vom 08.12.2022 – (IX ZR 175/21 (OLG Düsseldorf), BeckRS 2022, 40867) hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, wann die Herstellung einer Aufrechnungslage bei Insolvenz des Schuldners anfechtbar und infolgedessen die Aufrechnung gem. § 96 I Nr. 3 InsO unzulässig ist.

Der BGH hat mit der Entscheidung klargestellt, dass die Herstellung einer Aufrechnungslage nicht allein deshalb inkongruent und somit anfechtbar ist, weil die Aufrechnungsbefugnis in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des lnsolvenzverfahrens begründet worden ist.

Die Aufrechnung nach Insolvenzeröffnung ist nur dann gem. §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig, wenn Inkongruenz vorliegt.

Die Deckung eines Anspruchs durch Aufrechnung ist kongruent oder inkongruent je nachdem, ob der Aufrechnende vor der Krise einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, die zu der Aufrechnungslage führte. Die Herstellung einer Aufrechnungslage ist nur inkongruent, wenn die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger bereits entstandenen Rechtsverhältnis ergibt.

Die Aufrechnungsbefugnis erfordert eine Verknüpfung von Haupt- und Gegenforderung. Diese besteht beispielsweise, wenn beide Forderungen aus demselben Vertragsverhältnis stammen. Ist dies der Fall und wurde die Aufrechnung nicht ausgeschlossen, so besteht die Aufrechnungsbefugnis. Dann handelt es sich bei der Herstellung der Aufrechnungslage um eine kongruente Deckung.

Der BGH bewertet die Befugnis des Gläubigers, sich in der kritischen Zeit durch Aufrechnungen zu befriedigen, anders als die Situation bei der Einzelzwangsvollstreckung. Während das Interesse des einzelnen Zwangsvollstreckungsgläubigers hinter den Schutz der Gläubigergesamtheit zurücktritt, gelten für die Aufrechnung eigene Regeln. Eine zur Zeit der Eröffnung bestehende Aufrechnungslage oder Aufrechnungsbefugnis bleibt nach diesen Regeln unberührt.

Mit seiner Entscheidung folgt der BGH der gesetzgeberischen Linie, nach der nicht nur die bei Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage zur Aufrechnung berechtigt (§ 94 InsO), sondern auch die Herstellung einer Aufrechnungslage nach Insolvenzeröffnung (§ 95 I InsO), soweit vorher Aufrechnungsbefugnis bestand. Das Entgegenstehen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung gem. § 96 I Nr.3 InsO stellt die Ausnahme hiervon dar, so dass die Herbeiführung der Aufrechnungslage an sich nicht ohne Hinzutreten weiterer Gründe anfechtbar ist.

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Dr. jur. Erik Silcher

Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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