Medizinrecht: Abrechnungsbetrug und Ruhen der Approbation

Das Ruhen der Approbation eines Arztes darf nur angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer konkreten, bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, drohenden Gefahr für ein wichtiges Gemeinschaftsgut erforderlich und verhältnismäßig ist (BVerwG – 3 C 13.19).

Der approbierte Arzt betrieb als niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin mit zwei weiteren Ärzten eine Gemeinschaftspraxis. Er wurde von der Staatsanwaltschaft u.a. wegen Beihilfe zum Betrug angeklagt. Ihm wurde insbesondere zur Last gelegt, im Zeitraum 2008-2014 in rund 550 Fällen Gesundheitszeugnisse ausgestellt und damit den Erhalt unberechtigter Leistungen von Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung im Umfang von mehr als € 800.000,00 gefördert zu haben.

Im Jahr 2016 ordnete die Approbationsbehörde das Ruhen der Approbation als Arzt an, da die in der Anklageschrift vorgeworfene Straftaten geeignet seien, sowohl dessen Unwürdigkeit als auch die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes zu begründen. Diese Rechtsauffassung teilte das Verwaltungsgericht, da die Behörde bereits während des laufenden Strafverfahrens zum Erlass von entsprechenden Maßnahmen ermächtigt sei.

Auf die Berufung des Arztes wurde schließlich diese Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht aufgehoben, obwohl der Arzt mittlerweile vom Landgericht wegen Beihilfe zum Betrug in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 9 Monaten sowie wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem weiteren Jahr und 4 Monaten verurteilt wurde. Das OVG war der Auffassung, es müsse zwar aufgrund der Verurteilung auch in den Rechtsmittelinstanzen von einer weiteren (hinreichenden) Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Die Anordnung des Ruhens der Approbation erweise sich gleichwohl als ermessensfehlerhaft, weil es – derzeit – an einer konkreten Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter fehle. Allein die Art und Schwere der dem Arzt vorgeworfenen Taten indizierten eine Wiederholungsgefahr aber nicht. Die Anordnung des Ruhens könne erst nach Abschluss einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung vollzogen werden.

Diese Rechtsauffassung teilte das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen:

Die Verfügung auf Ruhen der Approbation bewirke ein vorläufiges Berufsverbot und ist daher an die zusätzlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden. Da noch nicht von einem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens auszugehen ist, darf das Ruhen einer ärztlichen Approbation nur angeordnet werden, um konkreten Gefahren zu begegnen, die bereits im Zwischenzeitraum bis zum Abschluss des Strafverfahrens drohen. Eine derartige Gefahrenlage liege nicht vor.

Zwar geht auch das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des anhängigen Strafverfahrens und der – noch nicht rechtskräftigen – Verurteilung davon aus, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Arzt aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe – rechtskräftig – verurteilt werden wird. Es sei jedoch nicht ausreichend, da Art. 12 Abs. 1 GG einen derartigen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl als Präventivmaßnahme nur zur Abwehr konkreter, bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens drohender Gefahren wie wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässt.

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt von der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für die geschützten Rechtsgüter befürchten lässt.
Die hohe Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen Straftaten, aus denen sich die Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung eines ärztlichen Berufes ergeben kann, genügt mithin nicht, um die Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation zu rechtfertigen. Das Ruhen der ärztlichen Approbation darf nur angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer konkreten, bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens drohenden Gefahr für ein wichtiges Gemeinschaftsgut erforderlich und verhältnismäßig ist.

Es sei in diesem Fall davon auszugehen, dass Art und Schwere des dem Arzt vorgeworfenen Verhaltens die Gefahr weiterer vermögensschädigender Handlungen zu Lasten der Krankenkassen bis zum rechtskräftigen Abschuss des strafgerichtlichen Verfahrens nicht indizieren und es auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine solche Gefahr gebe.

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